Wenn die Rechenschwäche zum Gesellschafts-Problem wird
Von Martina Salomon
Wer auf sich hält, kokettiert mit einer kleinen Rechenschwäche.
über Finanzskandal, Olympia-Bewerbung und Berufsheer
Wäre man witzig, müsste man die verheerenden Rechenergebnisse heimischer Schüler den Spekulationsverlusten in Stadt und Land gegenüberstellen. Manchmal wäre es dann doch nicht schlecht gewesen, würden wenigstens Landesbedienstete und Rechnungsprüfer die Grundrechnungsarten beherrschen! (O.k., in Wahrheit ist die Materie natürlich noch viel komplizierter.) Die Euro-Einführung hat das Problem übrigens verschärft: Milliarden wirken plötzlich, als wären sie nur Millionen.
Wer auf sich hält, kokettiert mit einer kleinen Rechenschwäche. Oder kennen Sie irgendeinen Oberschichtbürger, der zugibt, leider nur rudimentär lesen und schreiben zu können? Bildungsstudien haben ergeben, dass die Mathematikneurose kein genetischer Älpler-Defekt ist, sondern in den höheren Schulstufen der heimischen Schulen gezüchtet wird. Sollte man daher nicht endlich die pädagogische Ausbildung in diesem Fach genauer betrachten? Ein Mathe-Genie ist ja noch lange kein guter Lehrer. Volksschüler haben jedenfalls noch Spaß am Rechnen, später wird ihnen das gründlich ausgetrieben. In diesem Zusammenhang kann man den math space-Erfinder Rudolf Taschner gar nicht genug loben, der die Mathematik vom Moder-Geruch befreit hat und Bestseller-Bücher darüber schreibt. (Ein Interview mit Taschner finden Sie im Montags-KURIER.)
Ergebnisloses Pauken
Doch dieses neue Interesse an der (philosophischen) Mathematik scheint noch auf Erwachsene beschränkt zu sein. „Keine Zeit, ich muss mit meinem Kind für die Mathe-Schularbeit lernen“, ist dieser Tage wieder eine häufig gehörte Entschuldigung von gestressten Eltern. Und nur in den seltensten Fällen ist sie gelogen. In keinem anderen Fach wird so viel mit so minimalem Ergebnis gepaukt.
Wäre der Mathematik-Unterricht aber erfolgreicher, würden sich die Bürger manch Unsinn nicht auf die Nase binden lassen: So werden Bund und Länder nie und nimmer 12 Milliarden Euro für Olympische Spiele in Wien lockermachen können, auch wenn die Stadt das mit ihrer nächsten Volksbefragung vorgaukelt.
Dass ein Heer mit Berufssoldaten billiger wird, kann sich schon rein rechnerisch nicht ausgehen. Weder lassen sich mit einer „Millionärssteuer“ (SPÖ-Vorschlag, ab einer Million Euro Einkommen pro Jahr) große soziale Sprünge finanzieren, noch lässt sich der steuerlich vom Staat schwer abgezockte Mittelstand entlasten, ohne dafür andere neue (Vermögens-)Steuern einzuführen (ÖVP-Vorschlag).
Und wenn die Unterrichtspolitiker eins und eins zusammenzählen könnten, dann würden sie erkennen, dass die zahlreichen Schulreformen der letzten Jahre eine teure Verschlimmbesserung waren. Es steht zu befürchten, dass auf diese Weise auch in Zukunft niemand besser rechnen kann.