Unis stehlen ihren Hörern Lebenszeit
Von Martina Salomon
Diese (nicht ganz bitterernste) Statistik hat ein Schweizer Mediziner vergangene Woche veröffentlicht. Man kann aber davon ausgehen, dass Spitzenforschung auch individuelle Leidenschaft, extreme Leistungsbereitschaft, Freiheit, Geld und internationalen Austausch braucht, um zu gedeihen. Aus einigen Bereichen könnten irgendwann auch wieder österreichische Nobelpreisträger hervorgehen. Etwa aus der Medizin, den technischen Universitäten und auch dem "Ista" (Institute for Science & Technology in Maria Gugging). Hier kann die Crème der heimischen Forschung durchaus mit der Weltelite mithalten.
Schikanen ... Doch mit dem Nachwuchs, den Studenten, wird derzeit geradezu fahrlässig umgegangen. Ein Teil der Universitätslandschaft selektiert rigoros – oft wenig transparent, häufig auch unintelligent – ihre Anwärter. Ein anderer Teil versucht, die Hörerschaft mit Schikanen zu verringern. Unausgesprochen schwingt mit: Ihr seid uns lästig, bleibt bloß fern, wir haben Wichtigeres zu tun. Die Misere ist nicht in erster Linie Schuld der Hohen Schulen. Sie leiden an unklaren politischen Entscheidungen und chronischer Unterfinanzierung.
... erzeugen Flucht Natürlich hat das Folgen. Die städtische Ober- und Mittelschicht, die ihre Kinder spätestens mit drei Jahren für die knapper werdenden Plätze an Privatschulen anmelden, beginnen sich nun auch schleichend aus den öffentlichen Hochschulen zu verabschieden. Das Studium an einer britischen oder amerikanischen Universität kostet zwar ein kleines Vermögen. Dafür ist aber sichergestellt, dass sich die Lehrenden dort um ihre Hörer ernsthaft kümmern, sie wertschätzen. Ein Student, der hier die Aufnahme geschafft hat, kann davon ausgehen, dass er (in einem allerdings oft ziemlich verschulten System) auch in der vorgeschriebenen Zeit den internationalen Abschluss erreicht. So gesehen ist das Geld gut investiert.
Die österreichischen Gratis-Universitäten hingegen stehlen den jungen Menschen viel zu viel Lebenszeit mit Bürokratie, Knock-out-Prüfungen und Chaos. Und, man muss leider hinzufügen, auch die Schulen schaffen es immer weniger, ihre Maturanten wirklich universitätsreif zu entlassen.
Eric Kandel, 1938 als Neunjähriger aus Wien vertriebener, Nobelpreis-gekrönter Hirnforscher, meinte jüngst in einem KURIER-Interview, dass Österreich "als signifikante Größe in der Wissenschaft zurückkommen könnte. Es hat noch viel Weg vor sich, aber es geht in die richtige Richtung". Der brillante und sympathische Denker war gerade in Wien. Hoffentlich hat er recht.
... und Zweifel Man wird allerdings von Zweifeln gepackt, wenn man den teilweise wirklich miesen Umgang Österreichs mit seinen Studenten betrachtet. Da hilft nicht einmal eine Extraportion Schokolade als Studentenfutter!
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