Meinung/Kommentare/Salomonisch

Trachtige Aussichten

So geschehen bei Michael Spindelegger, der kürzlich an den Mondsee rief und dafür hämische Presse erntete.

Aber sind mittlerweile nicht vielleicht jene voll "retro", die solche Veranstaltungen vor Landschaftskulisse lächerlich finden? Die neue "Österreichische Auflagenkontrolle" enthüllte die erfolgreichste Magazin-Neugründung der vergangenen Jahre. Was Lässiges, Junges? Nein, es ist Servus in Stadt und Land von Dietrich Mateschitz. In Deutschland boomt Landlust. Es hat bereits mehr Leser als der Spiegel.

Eigentlich logisch: Angesichts einer furchterregend unübersichtlichen Welt rückt man näher zusammen. Politik gilt als böse, langweilig und unverständlich, mittlerweile selbst in der Elite. Lieber kocht man mit Freunden (statt der fehlenden Familie) Marmelade ein, sehnt sich nach heiler Heimat, gediegenem Handwerk und Liedern, die man irgendwann auf der Blockflöte geübt hat. Die oberösterreichische Landeshymne hat’s immer schon gewusst: "Dahoam is dahoam, wannst net fort muasst, so bleib". "Wiesn-Feste" in der Großstadt werden gestürmt, Jägerbälle sind von einem Jahr aufs andere ausverkauft, und die Wiener Schnösel-Jugend fährt zum Ausseer Kirtag. Natürlich in Dirndl und Krachlederner. Am Designer-Nachtkastl ihrer Eltern liegen sanfte Psychoquatsch-Bücher.

Die US-Zukunftsforscherin Faith Popcorn hat diesen Rückzug ins Häusliche schon in den Achtzigerjahren als "Cocooning" prophezeit. Dass es so lange dauern würde, bis diese Welle tatsächlich über uns schwappt, wusste sie nicht.

Traditionell

Weil die Retro-Journalist(inn)en und -Studentenvertreter(innen) von ihren endlosen Gender-Diskussionen so abgelenkt sind, haben sie auch übersehen, dass die nächste Generation wieder auf klassische Rollenbilder steht – zumindest theoretisch. Die jungen Mädchen wissen aber (hoffentlich), dass man sich auf lebenslange Familienversorger-Versprechen selten verlassen kann.

Pech für die ÖVP. Sie profitiert nicht vom Mega-Trend zur Bodenständigkeit, weil sie als Teil des politischen Establishments niedrige Glaubwürdigkeit hat. Der Trachten-Ausflug wird damit als schlichter Marketing-Gag erlebt.

PS: In der neu gestalteten KURIER-Beilage Mein Sonntag lesen Sie am Sonntag u. a. über die "Zukunft des Liebens". Rezepte gibt’s auch. Der KURIER wächst im Gegensatz zu anderen Tageszeitungen übrigens. Bis morgen, Servus!