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Die ungeschriebenen Briefe des Herrn Vizekanzlers

Spindelegger hat ja eine Art Schnorrbrief an Reiche geschrieben. Gute Idee, schlechte Umsetzung.

Dr. Martina Salomon
über den Finanzminister

Finanzminister Spindelegger hat ja eine Art Schnorrbrief an Reiche geschrieben. Gute Idee, schlechte Umsetzung. Da wären klarere Worte fällig gewesen – und natürlich mehr als nur ein Brief. Zum Beispiel einer an den Kanzler-Einflüsterer: "Sehr geehrter Herr Arbeiterkammerdirektor Werner Muhm! Sie liegen ja dem Kanzler mit einer gerechteren Vermögensverteilung in den Ohren, daher schlage ich Ihnen vor, mit gutem Beispiel voranzugehen. Heben Sie bitte auf niedrige steuerbefreite Gehälter in Zukunft keine Kammerumlage mehr ein und verzichten Sie bei hohen Einkommen überhaupt darauf. Schließlich vertreten Sie diese Gruppe ja nicht, sondern finanzieren, im Gegenteil, eine Menge Studien, um sie stärker zu belasten. Abgesehen davon wünsche ich mir einen Solidarbeitrag von den sehr hohen AK-Pensionen für einen Arbeitslosentopf."

Natürlich müsste Spindelegger auch an den Wirtschaftskammerpräsidenten schreiben: "Lieber Christoph! Du verlangst eine Steuerreform? Entlasten wir doch gleich die Unternehmen und senken die Kammerumlage, was meinst?"

An die Wohlhabenden hätte er appellieren können: "Wenn Sie sich schon, geschätzte Damen und Herrn, in einem Magazin-Artikel zu einem ,Ja, aber‘ für höhere Vermögenssteuern verführen lassen, dann setzen wir uns zusammen und reden, was Sie als Voraussetzung dafür brauchen. Wenn Sie das nicht wollen, dann fallen Sie mir doch, bitteschön, nicht auch noch in den Rücken. Abgesehen davon verspreche ich, dass ich Spenden via gemeinnützige Stiftungen erleichtern werde. Also, her mit der Marie, wenn Sie das wollen!"

Verehrte Magnifizenzen!

Wichtig wäre natürlich auch ein Brief an die Rektoren: "Verehrte Magnifizenzen! Wir bemühen uns, die Universitäten besser mit öffentlichen Mitteln auszustatten, aber es spricht auch nichts dagegen, mehr Geld über Mäzene aufzutreiben. Statt zu kritisieren, dass das keine verlässliche Geldquelle sei, könnten Sie auch selbst aktiver als bisher werden und etwa (dem US-Beispiel folgend) erfolgreiche Absolventen anpumpen."

Lieber Werner!

Auch seinem Koalitionspartner könnte Spindelegger einiges ausrichten: "Lieber Werner! Die EU-Wahl ist geschlagen. Zeit, den kleinen Zwischenwahlkampf mit der Millionärssteuer zu beenden, oder ist er euch etwa parteiintern entglitten? Und hättest Du die Güte, mir mitzuteilen, worüber ihr überhaupt redet? Ihr habt ja jetzt angedeutet, dass alle Besitzer von über einer Million versteuertem Eigentum noch mal 0,5 Prozent Steuer zahlen sollen. Einheitswert oder Verkehrswert? Zählen dazu auch Schmuck, Briefmarkensammlungen, Kunst und Autos? Fallen auch landwirtschaftliche Grundstücke und Firmen-Immobilien darunter? Sollte das kommen, dann hau ich den Hut auf die Politik und werde Immobilienbewerter. Die Branche wird nämlich boomen, wenn jedermann/-frau den Wert seiner Immobilie jährlich neu berechnen lassen muss.

Unter uns gesagt: Ich glaube ohnehin, dass erst unsere Nachfolger Erfolg haben werden. Du räumst deinen Job für ÖBB-Chef Christian Kern und ich meinen für Sebastian Kurz. Und dann schauen wir uns erste Reihe fußfrei an, ob es die Jüngeren besser können."