Salomonisch: Ab 60 wird man zum Sozialfall
Von Martina Salomon
Ein Pensionist fühlte sich durch die (ans ASVG-Recht angelehnte) unterschiedliche Altersvoraussetzung diskriminiert und hat auf Schadenersatz geklagt. Übrigens ist das ein exemplarisches Urteil gegen das ungleiche und EU-rechtswidrige Pensionsantrittsalter in Österreich.
Eine Frage blieb aber unbeantwortet: Warum bekommen Menschen ab dem 60. Geburtstag automatisch Ermäßigung, unabhängig von ihrem finanziellen Status? Es ist doch seltsam, dass es für Menschen, die im Schnitt noch ein Vierteljahrhundert von ihrem Tod entfernt sind, Seniorentickets gibt. Jene, die derzeit in Pension gehen, haben im Vergleich zur vorigen und zur nachfolgenden Generation goldene Jahre erlebt: Sozialleistungen, Arbeitsplatzsicherheit – und Grenzen des Wachstums verkündete nur der Club of Rome.
Experten behaupten, dass die physische Verfassung der heute Sechzigjährigen der ihrer Eltern mit 50 gleicht. Dennoch ist nicht einmal ein Viertel der Österreicher zwischen 60 und 64 Jahren erwerbstätig. (In Schweden sind es 61 Prozent.)
Das hat zu einer boomenden Seniorenindustrie geführt. Der Fernreisen-, und Wellnessmarkt lebt gut von den vielen agilen Menschen, die zu alt zum Arbeiten sind. (Wobei Schiffsreisen in letzter Zeit eher dazu geeignet sind, die Invalidität zu verstärken). Von (Partei-)Pensionistenverbänden werden sie zu Zehntausenden in hübsche Gegenden gekarrt oder anlässlich ihre s 60. Geburtstags zum Bezirks-Seniorenkränzchen eingeladen – damit sie später in der Wahlzelle das Kreuzerl an der richtigen Stelle machen.
Natürlich ist ein Argument nicht von der Hand zu weisen: Auch viele Unternehmen und staatsnahe Einrichtungen haben kaum Interesse an ihren oft noch topfitten älteren Arbeitnehmern. Die schafft man sich nötigenfalls mit Golden Handshakes vom Hals. Das wiederum ermöglicht es vielen Älteren, ihre Kinder und Enkel finanziell zu unterstützen. Die brauchen das auch, weil sie ja nicht automatisch Ermäßigungen kriegen.