Mehr Integrations- als Schulproblem
Von Martina Salomon
Und so ging vergangene Woche ein Schreiben unter, mit dem man sich befassen sollte: Österreichs Bildungswesen sitzt demnach auf einem Pulverfass. Denn Österreich hat europaweit die am schlechtesten ausgebildeten Neo-Bürger. Knapp ein Fünftel der Einwohner hat "Migrationshintergrund": Sie selbst oder beide Eltern sind im Ausland geboren bzw. sie oder die Eltern haben eine andere Staatsbürgerschaft.
Die Zusammensetzung der Bevölkerung wandelt sich gerade fundamental: Bei den jetzt Zehn- bis 18-Jährigen haben laut Statistik Austria ein Viertel "Migrationshintergrund", bei den 6- bis 9-Jährigen sind es bereits 33 und bei den 1- bis 2-Jährigen 40,3 Prozent. Weit mehr als die Hälfte der Wiener Volksschüler haben in irgendeiner Weise ausländische Wurzeln.
Entscheidend ist, wie man sich daheim unterhält: In Österreich sprechen laut PISA-Studie 77,8 % der 15-jährigen Migranten zu Hause nicht Deutsch, in Frankreich sind es 28 %, die nicht Französisch sprechen, in Großbritannien nur 20 %, die daheim nicht Englisch reden. Bei Austro-Türken wird sogar zu 89 % daheim nicht Deutsch gesprochen. Bei Türken in Deutschland sind es 66 %, in Dänemark nur 34 %.
Die Schönredner träumen von harmonischer Multikulti-Gesellschaft – und tatsächlich lebt man in Österreich friedlicher zusammen als anderswo. Aber heimlich brodelt es. Ansonsten wäre die FPÖ mit ihren "Ausländer raus"-Parolen nicht so erfolgreich. Dabei wird aber vergessen, dass die Hälfte der neuen Bürger längst die österreichische Staatsbürgerschaft hat.
Klar ist: Wir müssen uns dem Thema stellen und Antworten auf heikle Fragen finden: Möglicherweise gibt es weniger ein Schul- als ein Integrationsproblem zu lösen. Wenn in vielen heimischen Klassen komplettes Sprach-Wirrwarr herrscht, lässt sich dort kein vernünftiges Deutsch mehr lernen. Daher sollten Betroffene noch vor Schuleintritt ein Sprachtraining absolvieren.
Bildung ist der Schlüssel, um archaiische Gesellschaftsmodelle hinter sich zu lassen und eine Chance auf einen würdigen Arbeitsplatz zu erhalten. Natürlich werden wir in Zukunft nicht mehr von Frauen-, sondern von Migrantenquoten in Unternehmen reden müssen. Einzelnen innovativen Vertretern der Wirtschaft ist der riesige Handlungsbedarf schon bewusst. Wer ihn nicht erkennt, wird als Unternehmen, als Bildungswesen, als Staat nicht mehr erfolgreich sein.