Meinung/Kommentare/Salomonisch

Fataler Hang zum Etikettenschwindel

Österreich schummelt sich insgesamt gern an Wahrheiten vorbei.

Dr. Martina Salomon
über Themenverfehlungen

Wenn Wiener „Nein“ meinen, sagen sie „Schaumamal“. Österreich schummelt sich insgesamt gern an Wahrheiten vorbei, die Liste der Themenverfehlungen ist heuer besonders lang.

Stichwort „ Reichensteuer“: So wie angekündigt, wird sie nicht kommen. Wer Kapitalerträge über die schon existierende 25-prozentige Kest hinaus besteuern will, schafft dies nur mittels Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament, was sich derzeit nicht einmal mit Rot-Grün-Blau gemeinsam ausgeht. Die „Endbesteuerung“ (über die Kest hinaus ist keine Einkommenssteuer fällig) ist Verfassungsgesetz. Abgesehen davon hat es diese Regierung eh schon geschafft, mit einer neuen Wertpapiersteuer den schwachbrüstigen Börseplatz Wien zu beschädigen. Sinnvoller wäre es, bei Staatsausgaben zu sparen und das Steuersystem zu vereinfachen. Weil das nicht geschieht, wird am Ende wohl die Grundsteuer oder – noch bequemer – die Mehrwertsteuer erhöht. Eine Lohnsteuerreform wird sich schon wegen der Milliarden für die Hypo nicht ausgehen.

Apropos Hypo Alpe Adria: Als hätten wir sonst keine anderen Sorgen, muss Ex-Vorstandschef Kranebitter mit einer Strafe wegen Arbeitszeitverstößen rechnen. Es gab anonyme Anzeigen, die Banker hätten mehr als zehn Stunden am Tag gearbeitet. Aber hallo! Das ist bestimmt ein ganz, ganz großes Problem, das dringend geahndet werden muss!

Ähnlich absurd verläuft schon seit Jahren die Pensionsdebatte. Jeder weiß, dass Österreich aufgrund der längeren (gesunden) Lebenserwartung nicht nur das faktische, sondern auch das gesetzliche Pensionsalter erhöhen muss. Aber weil, wer das ausspricht, politisch tot ist, versprechen alle, dass sich nichts ändern wird.

Türtaferl ausgetauscht

Diese Schlaumeier-Tendenz setzt sich in der Bildungspolitik fort: Dass die personell etwas aufgestockte Hauptschule nun „Neue Mittelschule“ heißt, ist Etikettenschwindel. Umgangssprachlich hieß das Gymnasium ja immer „Mittelschule“, doch kaum eine AHS hat sich locken lassen, eine NMS zu werden. Besser wäre überhaupt gewesen, daran zu arbeiten, dass Schüler Bildungsziele wieder erreichen.

Eine der absurdesten Themenverfehlungen des vergangenen Jahres war aber die Volksabstimmung über die Olympischen Spiele 2028 in Wien, wo wir doch nicht nur Lichtjahre von einer Sportstadt entfernt sind, sondern auch ewig brauchen, um nur ein Sportbecken zu reparieren. In einem Land, wo Leistung (außer im Skisport) zunehmend zum Fremdwort gerät, ist so ein Hochleistungs-Event ohnehin nicht ganz passend.

Und nebenbei bemerkt: Wenn Österreich schon unbedingt am Schnulzen-Festival „Song Contest“ teilnehmen will, warum präsentiert man sich auch heuer wieder mit jemandem, der die Garantie zum Durchfallen hat und das ganze Land ins Schrullen-Eck stellt? Schon wieder eine klassische Themenverfehlung!