Der Kunde – mehr Knecht als König
Von Martina Salomon
Dienstleistung war gestern. Selbst erledigen ist heute. Das spart Firmen angeblich Geld. Und den Kunden bringt es, äh, ja was eigentlich?
Beispiel Flughafen: Sie sind in einem EU-Land und haben am iPad natürlich schon selbst eingecheckt, müssen aber dummerweise noch Gepäck aufgeben. Lange Schlange. Ein Gepäcksaufgabe-Automat verheißt kürzere Wartezeit. Dort reiht man sich ein, kriegt nach langwierigem Herumgetippe die Koffer-Schleife – und soll sich erst wieder bei Schlange Nummer eins anstellen. Dafür muss die Schalter-Dame dann nichts mehr eintippen, verlangt aber einen Ausweis. Wo bitte ist jetzt der Fortschritt?
Oder Beispiel Bank: Früher einmal wusste die Bankberaterin in der Zweigstelle, welche Kunden kreditwürdig waren und welche Produkte man ihnen verkaufen konnte. Aber dann hat man die Kunden aus den Filialen vertrieben, den Angestellten ihren individuellen Beratungsspielraum genommen, Filialen geschlossen. Das ließ viele gleich zu beratungslosen Internetbanken wechseln. Die großen Bankhäuser haben darauf mit der Gründung serviceorientierter "Privatbanken" reagiert, um weiterhin nach den Goldfischen im Kundenteich zu angeln.
Ansonsten ist der beste Kunde der Selbstchecker. Das nennt sich übrigens "IKEA-Prinzip": Wir bauen nicht nur unsere Möbel selbst zusammen, sondern holen auch das Postpaket aus dem Automaten. Han-dybetreibern und Kreditkartenfirmen helfen wir Porto sparen, indem sie uns die Rechnungen nur noch per Mail schicken. Für das neue und alte Parkpickerl ist immerhin die Verwaltungsgebühr beim Online-Antrag um fünf Euro niedriger. Aber fragt eigentlich irgendjemand, warum man für eine Gebühr der Stadtverwaltung auch noch eine satte Verwaltungsgebühr von 35,70 Euro zahlen muss? Vielleicht, weil es eine reale Beamtin ausstellt, die wir allerdings eh schon mit üppigen Steuern finanzieren?
Aber wie geht’s der nicht so betuchten Oma ohne Internet? Wer kein "Smart User" ist, braucht mittlerweile einen Butler oder wenigstens ein Enkelkind als Wegweiser durch die dienstleistungslose, digitale Welt. Möglicherweise ist der Markt der Zukunft genau das Gegenteil: So wie die Großstädter plötzlich kleine, individuelle Bäckereien stürmen, um Brot zu kaufen, das nicht nach Indus-trieware schmeckt, könnten sich auch für andere Branchen Nischen auftun. Dort wäre der Kunde dann nicht mehr Knecht, sondern König. Dank der digitalen Welt erfahren wir schneller von solchen Dienstleistern und finden auch leichter hin. Erst wenn solche Angebote mehr sind als ein reines Elitenprogramm, lässt sich von einer "schönen neuen Welt" ohne Anführungszeichen sprechen.