Der "Gender-Gap" ist nicht das Hauptproblem Österreichs
Von Martina Salomon
Interessanterweise zählen jene Länder, in denen besonders oft Teilzeit gearbeitet wird, zu den reichsten Europas.
über "Gender-Gap"
Österreich verliert beim Wirtschaftswachstum den Anschluss in Europa. Was tut die Regierung? Sie beauftragt die OECD mit einem Wirtschaftsbericht, der sich speziell mit Geschlechterunterschieden beschäftigt. Und weil die für Österreich zuständigen Forscher der OECD eine immer auffälligere ideologische Schlagseite haben, kommt heraus, was sich die Frauenministerin wünscht: Würden Mütter häufiger ganztags arbeiten, würde es der Wirtschaft besser gehen, juche!
Aber ist es für den Standort wirklich so schlimm, wenn Eltern – zugegeben: mehrheitlich Frauen – Teilzeit arbeiten, um sich den Kindern widmen zu können? Ist Familienarbeit (oder auch Weiterbildung) unproduktiv? Und ist in Zeiten der Rekordarbeitslosigkeit wirklich mehr Arbeitskraft nötig? Interessanterweise zählen jene Länder, in denen besonders oft Teilzeit gearbeitet wird, zu den reichsten Europas: Niederlande, Österreich, Deutschland, Schweiz. Portugal und die Slowakei hingegen sind Spitze in der Tabelle: "Beide Elternteile arbeiten Vollzeit". Wirtschaftlich top sind sie nicht.
Hohe Jobzufriedenheit
Abgesehen davon steht Österreich mit einer Frauenbeschäftigungsquote von mittlerweile 70 Prozent recht gut da. Wer beklagt, dass da sehr viel weibliche Teilzeitarbeit dabei ist, vergisst, dass viele dieser Werktätigen früher "Nur-Hausfrauen" waren. Die OECD weist uns übrigens (bei Frauen wie Männern) die höchste Arbeitszufriedenheit gleich nach Island aus. Wenn das kein Super-Signal für heimische Firmen ist!
Auch das seit Jahrzehnten gleichbleibende Jammern über zu wenig Kinderbetreuung ist überholt: 95 Prozent aller Kindergärten und Krippen haben ganztags geöffnet, und wenn in mancher Gemeinde nur ein Kindergarten im Sommer offen hat, dann liegt das auch an mangelnder Nachfrage: Man betreut dann halt oft die Kinder des Nachbar-Kindergartens mit. Na und? Erst ab Schulbeginn wird es für Eltern schwer, die Ferien zu überbrücken. Hier gibt es tatsächlich Handlungsbedarf.
Ein ideologisches Minenfeld wäre die Frage, ob unser Steuersystem nicht kinderlose Doppelverdienerpaare begünstigt. Wer Gerechtigkeit will, müsste steuerlich berücksichtigen, wie viele Menschen von einem Einkommen leben oder zumindest – wie in Frankreich – einen Steuerbonus ab dem dritten Kind gewähren. Mit drei Kindern ist eine Vollzeit-Berufstätigkeit beider Eltern nämlich wirklich schwierig.
Falsche Berufswahl
Ja, es gibt in Österreich einen Alleinverdienerabsetzbetrag als Ausgleich. Aber viele Familien bezahlen sich diesen dank Höchststeuerlast ohnehin selbst. Die Einkommensstatistik zeigt, dass Väter mehr verdienen (müssen) als kinderlose Männer, daher auch höhere Abgaben haben.
Wer sich über die Einkommensschere zwischen den Geschlechtern ärgert, der sollte ein paar "Kleinigkeiten" nicht vergessen: das gesetzlich niedrigere Pensionsantrittsalter von Frauen etwa, und eine problematische Berufs- und Studienwahl: In Technik-Naturwissenschaften verdient man mehr als mit "weiblichen" Fächern wie Psychologie oder Anglistik. Abgesehen davon steigt die Zahl an Zuwandererfamilien, in denen Frauen-Berufstätigkeit unerwünscht ist. Aber das zu diskutieren ist ausgerechnet bei jenen, die sich über den Gender-Gap aufregen, ein Tabu.