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Wie sich Politiker mit den Medien schaden

Bundeskanzler Julius Raab nimmt im plüschigen Fauteuil der zweimotorigen Propellermaschine Platz, wir schreiben den 12. April 1955, es geht nach Moskau. Die Chancen für den Staatsvertrag stehen endlich gut. Raab nimmt sein Smartphone, macht ein Selfie und schickt es auf Twitter mit den Worten: "Molotow wird endlich einlenken, wir bringen die Neutralität mit." Dann schaut er auf Facebook und muss sich ärgern. SPÖ-Chef und Vizekanzler Adolf Schärf hat schon wieder gegen die Neutralität polemisiert. Staatssekretär Bruno Kreisky (SPÖ) brummt zu Raab hinüber: "Mach dir nichts draus, die Russen nehmen nicht alles ernst, was auf diesem Zeugs der imperialistischen Amis geschrieben wird."

Selbst wenn es damals schon das Internet gegeben hätte, wäre Raab kein Twitter-Star gewesen. Er war nicht schwatzhaft, eher schweigsam. Bruno Kreisky hätte als Kanzler auch die sozialen Medien genutzt, aber in seinem Rhythmus, zu seinen Bedingungen. Diese Kanzler waren populär, weil sie sich eben nicht verbogen haben, hinüber, in die Gefühlswelt der Bilder, und hinunter, zum primitiven Gratis-Boulevard mit seinen erfundenen Geschichten. Die noch viel wichtigere Frage ist aber, ob der permanente Mitteilungsbedarf der Politiker nicht Ergebnisse unmöglich macht. Wer sich in allen Medien auf Positionen festlegt, wird sich bei Kompromissen schwertun. Aber die sind bei Verhandlungen halt notwendig.

Gesucht: Eliten, die sich so benehmen

Es ist jedenfalls auffällig, dass Politikerinnen und Politiker in den Mediendemokratien eine immer kürzere Überlebenszeit bei gleichzeitig schwindender Popularität haben. Das liegt natürlich daran, dass die Brüche der Digitalisierung ohne Wirtschaftswachstum so schwer zu verkraften sind, dass wir vor Veränderungen stehen, die uns hilf- und schutzlos erscheinen lassen. Aber es liegt auch an einem politischen Personal, das rund um die Uhr so viel redet, ohne dass es etwas zu sagen hat.

Bundeskanzler Christian Kern beklagte im Gespräch mit der deutschen Wochenzeitung Die Zeit, dass "uns oft die Foren fehlen, in denen man Politik ernsthaft diskutieren kann." Kurz zuvor setzte er sich – wie auch viele ÖVPler – in einen Internetsender, der von Leuten betrieben wird, die man mit gerichtlichem Segen als "Fälscherwerkstatt" bezeichnen kann. Und Kerns Analyse, warum so viele der ehemaligen SPÖ-Wähler zur FPÖ abgewandert sind: "Sie wollen das System und die Eliten auf den Knien sehen. Weil sie sich deklassiert, ausgeschlossen und nicht ernst genommen fühlen."

Falsch. Die Wähler wollen Eliten, die sich aber so benehmen, also Politiker, die sich nicht von verlogenen Verlegern erpressen lassen, die auch nicht mit verbalen Untergriffen aufeinander losgehen, sondern Staatsmanager, die Antworten auf die großen Probleme haben. Raab, Figl und Kreisky haben verhandelt und danach darüber geredet. Das hat uns den Staatsvertrag und heute vor 61 Jahren auch das Neutralitätsgesetz gebracht.