Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Weltmeister bei„Brot und Spielen“

Wien ist schön und lebenswert. Aber es gibt viele Bereiche, die man nicht länger schönfärben kann

Dr. Martina Salomon
über Wien

Der beliebteste Satz, mit dem Kritik an der Stadt Wien weggewischt wird, bleibt seit Jahrzehnten gleich: „Wien ist eine gut verwaltete Stadt“. Da kommt dann immer gleich die Geschichte mit der super funktionierenden Müllabfuhr. Ja eh. Von den Wienern wird das über steigende Gebühren natürlich selbst finanziert. Aber reicht das als Gestaltungswille für eine – im internationalen Vergleich kleine – Großstadt? Wien ist in manchen Bereichen hervorragend: Als Kulturstadt, Eventstandort ( Life Ball, Donauinselfest) und als Stadt der Sozialleistungen. „Brot und Spiele“ – das funktioniert prächtig. Derzeit positioniert sich Wien auch als Weltstadt der Verschwörungstheorien: „Unser Wasser“ ist demnach durch liberalisierungswütige, Brüssel-ferngesteuerte Kapitalisten-Haie gefährdet.

Hauptstadt des Beamtentums

Natürlich ist Wien auch die Welthauptstadt des Beamtentums. Wiener Landesbeamte gehen drei Jahre früher in Pension als Bundesbeamte und sind pro Jahr mit durchschnittlich mehr als vier Wochen (!) Krankenstand deutlich länger krank als „normale“ Angestellte. Natürlich, ohne kontrolliert zu werden. Zentrum der von Rathaus und Bundesregierung hemmungslos gefütterten Boulevardmedien ist Wien ja schon länger. Sportstadt eher nicht. Dennoch werden die Wiener bald befragt, ob sie Olympische Spiele wollen. Leider nicht gefragt werden sie, ob es weiterhin so viel triste Bauträgerarchitektur geben soll oder ob städtebaulich auch etwas mehr Kreativität als am Prater-Vorplatz einziehen darf.

Auch als Wirtschaftsstandort verliert die Stadt. Wien hat die höchste Arbeitslosigkeit aller Bundesländer (vor Kärnten) und eine beängstigend steigende Zahl an Mindestsicherungs-Beziehern. Die aktuellen Zahlen zeigen: 126.255 Wiener waren im Jänner ohne Job, mehr als die Hälfte davon hat höchstens Pflichtschulabschluss, ist daher nur schlecht vermittelbar. Denn leider hat Wien auch noch die im Bundesländer-Vergleich mit Abstand schlechtesten Bildungsergebnisse. Unternehmer holen sich Lehrlinge daher oft lieber vom Land.

Parkpickerl statt Verkehrskonzept

Natürlich muss man bei diesen Daten immer einen Großstadtfaktor dazurechnen. Trotzdem sollten die Alarmglocken läuten. Es ist hoch an der Zeit, eine Vision für den Wirtschaftsstandort Wien zu entwickeln, die über einen Fahrradbeauftragten hinausgeht. Welche Branchen könnte man stärken, wo ist Cluster-Bildung sinnvoll? Der KURIER sammelt dazu gerade in der Initiative „Bright Minds“ mit Managern, Freiberuflern und Kreativen Ideen. Stärken ausbauen, raten diese, etwa im Bereich von IT und Biotechnologie. Nicht nur auf Dienstleistung, auch auf Produktion setzen. Und sie wünschen sich statt des völlig chaotisch eingeführten Parkpickerls eine Citymaut und ein echtes Verkehrskonzept.

Wien ist schön und lebenswert. Aber es gibt viele Bereiche, die man nicht länger schönfärben kann.