Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Sieben Lehren aus dem EU-Wahlkampf

Sieben Lehren aus dem EU-Wahlkampf

Dr. Martina Salomon
über die Wahl

Die interessantesten Erkenntnisse aus den letzten Wochen? Dass, erstens, ein 25-jähriger Bad Mitterndorfer rhetorisch alle Wahlkämpfer in die Tasche steckt. Freundlich, selbstironisch, exzellentes Englisch: Der Tom Neuwirth hinter der Kunstfigur Conchita ist verblüffend professionell und scheint deutlich weniger exaltiert zu sein als viele seiner Anhänger.

Zweite Erkenntnis: Ginge Frau/Herr Wurst aber wie der einst so beliebte ORF-Star Eugen Freund in die Politik, wäre sie/er wohl in Nullkommanix ein armes Würstchen. Merke: In der Politik ist der Lack schnell ab. Drittens: Wer wie die Neos gegen den Strom schwimmt, sollte bei rauerem Seegang nicht gleich verzagt sein, weil sonst jede Glaubwürdigkeit baden geht. Vierte Erkenntnis (danke, Ö3): Die viel gescholtene Gurkenkrümmungsnorm gab es in Österreich (aus verpackungstechnischen Gründen) lange, bevor sie von der EU „erfunden“ wurde. Sie ist übrigens seit sechs Jahren wieder abgeschafft.

Fremdbestimmt – Gott sei Dank

Fünftens: Fingerspitzengefühl ist nicht die größte Stärke der EU-Bürokratie – theoretisch sogar ein gutes Zeichen. Es geht beinhart um die Sache, selbst wenn es die EU-Wahl beeinflussen könnte: So fand vergangenen Freitag die fünfte Verhandlungsrunde zum umstrittenen Freihandelsabkommen mit den USA statt. Damit hängt der strenge Geruch des Chlorhuhns über dem EU-Wahlkampf, was EU-feindlichen Parteien nützt. In Österreich geschah sogar noch Schlimmeres: Da zwang uns die EU gerade zur Budget-Nachbesserung. Die Opposition tobte zwar gegen den Finanzminister wegen dessen Brüssel-Brief, hätte aber auch gegen die „Fremdbestimmtheit“ durch Brüssel wüten können. Aber: Ohne das Damoklesschwert eines EU-Defizitverfahrens würde die heimische Politik wohl keine großen Schritte wagen. Die Kommission kann bei drohenden finanziellen Schwierigkeiten eines Euro-Landes in dessen öffentlichen Haushalt eingreifen. Sie fand den österreichischen Sparkurs ganz offensichtlich nicht überzeugend genug. Natürlich rächen sich jetzt die Versäumnisse der Vergangenheit. Hätte man nämlich eine Schuldenbremse (wie auch die seinerzeit so aggressiv bekämpfte „Pensionsautomatik“) eingeführt, hätte Österreich mehr Souveränität behalten.

Sechstens: Für rechtspopulistische Parteien ist die Wahl trotzdem keine „gmahte Wiesn“, weil die Verdrossenen eher dem Urnengang fernbleiben. Folgerichtig fleht ausgerechnet die FPÖ, doch zur Wahl zu gehen. Siebtens: Die Koalitionsparteien haben ja eigentlich gar keine Kandidaten ins Rennen geschickt: Othmar Karas hat die ÖVP irgendwie abgeschüttelt, Eugen Freund hat sich den roten Schuh nie angezogen. In Wahrheit ist das auch eine Richtungsentscheidung zwischen den beiden Top-Kandidaten für den Kommissionspräsidenten, Martin Schulz (Sozialdemokraten) und Jean-Claude Juncker (Konservative). Oder auch nicht, wenn dann doch ein anderer Präsident aus dem Hut gezaubert wird.