Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Österreich braucht mehr Balkon-Muppets

Ein Mal im Jahr steigt Pammesberger zur schreibenden Zunft herab

Josef Votzi
über den Schrecken aller Kommentatoren

Michael Pammesberger, Karikaturist des KURIER, ist der Schrecken aller Kommentatoren. Auf ein paar Quadratzentimetern bringt er sein Statement zur Lage perfekt auf den Punkt, qualitativ und quantitativ unschlagbar. Wer das Vergnügen hat, ihm über die Schulter schauen zu dürfen, weiß zudem, dass er sich als Publizist der alten Schule versteht: Neugierig, unbestechlich, gegen den Strich bürstend. Ein Mal im Jahr steigt Pammesberger zur schreibenden Zunft herab. Seinen Jahresrückblick garniert er selber mit einem Begleittext – heuer als „Blick zurück im Dorf“ (siehe unten).

Derart wahrhaftig und schonungslos gehen Politiker mit der Wirklichkeit nur um, wenn sie bereits ein „Ex-“ vorm Namen tragen. Paradebeispiel dafür ist Ex-SPD-Kanzler Helmut Schmidt. Eben 95 geworden, wird er 30 Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Amt nach wie vor als Welterklärer herumgereicht. „Schmidt-Schnauze“ ist der Superstar unter den vielen deutschen Alt-Politikern, die für eine lebendigere und offenherzigere Debatte als hierzulande sorgen. In einer Umfrage über die moralischen Instanzen Deutschlands rangiert Helmut Schmidt mit großem Abstand auf Platz eins.

Mehr lästige Mahner, ja bitte

In Österreich macht nur eine Handvoll Mahner ab und an von der Pensionistenbank aus von sich reden: Allen voran Ex-SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky und Ex-ÖVP-Chef Erhard Busek, die das Land 1994/’95 gemeinsam erfolgreich in die EU geführt haben – und sich daher zurecht für einen vernünftigeren Umgang mit dem Thema als vom Boulevard diktiert verantwortlich fühlen.

Ihre Debatten-Beiträge von außen werden von den Nachfolgern öffentlich nicht einmal ignoriert, hinter vorgehaltener Hand aber als entbehrliche Kommentare von „Balkon-Muppets“ abgetan (das sind die weißhaarigen Opas, die in der gleichnamigen TV-Show als Waldorf & Statler von der Balkonloge aus über das Bühnengeschehen lästern).

„Altpolitiker kommentieren unablässig die Leistungen ihrer Nachfolger und die Bürger bewundern sie dafür“, resümierte jüngst der Spiegel – ein Diktum, das zunehmend auch auf Österreich übertragbar scheint.

Wachsende Verzwergung, nein danke

Michael Pammesberger bringt es in einer seiner sechs Best-of-Karikaturen 2013 auf den Punkt: Österreich stand heuer im Zeichen eines Paradoxons, der wachsenden Verzwergung der Innenpolitik. Dagegen gibt es nicht nur eine zunehmende Abneigung, die sich in Internet-Foren und an den Stammtischen als Dauer-Shitstorm gegen „die da oben“ Luft macht.

Bei der Mehrzahl der Politiker-Verdrossenen steht dahinter aber eine tiefe Sehnsucht nach mehr Wahrheit und ungeschminkter Klarheit in der Politik – alles in allem also nach einem erwachsenerem Umgang mit den Bürgern. Bis die Regierenden von sich aus so weit sind, braucht es wohl noch mehr lautstarke Mahner von außen.

Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer ist noch zu jung für einen „Balkon-Muppet“. Er bilanziert im KURIER-Interview Bemerkenswertes über das zurückliegende Jahr 2013 für ganz Europa: „Der Kurs des Zauderns hat – mit Ausnahme Merkels – schlechte Wahlergebnisse für die Regierungen gebracht. Da ist es doch besser, den Menschen gleich die Wahrheit zu sagen.“

Viel war nicht los bei uns letztes Jahr im Ort. Neuer Pfarrer. Der krempelt ordentlich um, bistdudeppert! Sonst nichts. Nur: Das Dorfwirtshaus musste wieder einmal erneuert werden. Die Pächter waren sich nicht recht einig: Der eine wollte mehr in Richtung Pub, Pizza, der andere traditionelle Hausmannskost. So auf „Schmankerlwirt“. Jeder redet natürlich mit, die Vereine, Feuerwehr, Fußballer, Kirchenchor, Kartenspieler ... Heftige Debatten im Ort waren die Folge: Manche wollten was „Urbaneres“, mit vegetarisch, andere was ganz Traditionelles, ausschließlich Schnitzel, ja keine anderen Dings etc. Naja, nach langem Herumreden: Neueröffnung, schaut aber eh aus wie vorher; Anstrich neu, ein paar Tische umgestellt. Speisekarte a bissl was von dem, a bissl was von dem, aber eh wie vorher. Sooo schlecht is’ eh net. Und in Wahrheit bestellen wir eh immer das Gleiche. Also egal, wir gehen trotzdem hin. Is’ ja das einzige Wirtshaus.

Und sonst: Die Schule wird wohl wieder nicht renoviert: kein Geld!

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