NEOS starten EU-Bürgerumfrage vor österreichischem Ratsvorsitz
Die NEOS wollen mit einer großen Bürgerumfrage den Druck auf die schwarz-blaue Bundesregierung vor dem EU-Ratsvorsitz erhöhen. Diese sei werde nämlich "auf eine Verwaltung des europäischen Stillstands herauslaufen" und zeige nur Entschlossenheit "im Bereich antieuropäischer populistischer Maßnahmen", sagte NEOS-Chef Matthias Strolz am Montag vor Journalisten in Wien.
Mit der Aktion " Europa, red ma drüber" will der NEOS-Parlamentsklub ergründen, wie die Österreich in europäischen Fragen ticken. Die Ergebnisse sollen noch vor Beginn der österreichischen Ratspräsidentschaft Anfang Juli präsentiert werden. Die sechsmonatige Präsidentschaft sei nämlich ein "großartiges Fenster", das Österreich dafür nützen könnte, "Impulse" für eine "Vorwärtsbewegung" in Europa zu setzen.
Macron als Ideengeber
NEOS habe sich diesbezüglich vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron inspirieren lassen, auf dessen Initiative die EU-Kommission seit der vergangenen Woche europaweit die Meinung der Bürger erhebt. Macron habe bei seiner Rede anlässlich der Verleihung des Karlspreises in Aachen "sehr klar ausgeschildert, wie man die europäische Flagge in die Hand nehmen und entschlossen nach vorne ziehen" kann, sagte der scheidende NEOS-Chef. "Es gibt hier offensichtlich keine Gefolgschaft von der österreichischen Regierung."
Bereits am Mittwoch will die zweitgrößte Oppositionspartei die Aktuelle Stunde dem Thema Europa widmen und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu einer Stellungnahme in Sachen EU-Budget auffordern, berichtete Europasprecherin Claudia Gamon. Die jüngste Aussage von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), wonach Österreich in der nächsten EU-Finanzperiode mehr werde zahlen müssen, sei eine "Offenbarung" gewesen. Die bisherige Position der Bundesregierung in dieser Frage sei "einfach unehrlich" gewesen.
Kritische Töne für Löger
Auch kritisierte es als "sehr ambivalent", einerseits einen höheren EU-Beitrag abzulehnen und andererseits zu sagen, dass die Agrarförderungen nicht gekürzt werden sollen. Selbst deutsche Minister würden zudem ihren "Kopf schütteln", wenn es heiße, dass es kein zusätzliches Budget für den künftigen gemeinsamen europäischen Außengrenzschutz geben solle.
In der Umfrage wollen die NEOS unter anderem wissen, ob es die Österreicher "in Ordnung" fänden, wenn die Mitgliedsstaaten mehr ins EU-Budget einzahlen, damit die Union ihre zentralen Aufgaben besser erfüllen könne. Insgesamt umfasst die Umfrage, die offline und online ausgefüllt werden kann, fünf Fragen, drei davon sind offen gestellt. So wollen die NEOS von den Österreichern wissen, womit sie in Sachen Europa zufrieden sind oder enttäuscht und welche Verbesserungen sie von der EU in ihrem Alltag fordern. Zudem sollen die Bürger zwei von sechs Themen auswählen, um die sich die EU besonders kümmern soll, vom Klimawandel bis zur Terrorbekämpfung. Schließlich sollen mehrere Aussagen, darunter jene zu höheren EU-Beiträgen, mit Smileys bewertet werden.
Forderungen statt Überschriften
"Wir werden ausschwärmen in alle Ecken und Enden der Republik", hofft Strolz auf mindestens 5.000 ausgefüllte Fragebögen, die auch online (unter redma.eu) ausgefüllt werden können. Die Umfrage versteht er als "Beziehungsarbeit" und Versuch, der europäischen Idee "mehr Bodenhaftung" zu geben. Auf die Frage, ob die NEOS ihre eigenen europapolitischen Positionen abhängig vom Ergebnis der Umfrage verändern könnten, sagte Strolz: "Wir werden den Menschen auf den Mund schauen, aber nicht nach dem Mund reden."
NEOS sei überzeugt, dass die EU ein Mehrwert für jeden Bürger sei. Doch werde der Fragebogen "auch mit uns was machen", es könnte durchaus sein, "dass wir das eine oder andere übersehen haben". Wie Strolz der APA auf Nachfrage bestätigte, kann die Umfrage auch anonym ausgefüllt werden.
Während Strolz und Gamon der schwarz-blauen Bundesregierung vorwarfen, bisher nur "Überschriften" in der Europapolitik produziert zu haben, formulierten sie konkrete Forderungen an die EU-Reform. So solle es eine "echte Unionsbürgerschaft" geben, eine Verankerung des Spitzenkandidaten-Systems bei der Europawahl, damit diese zugleich auch über das Amt des Kommissionspräsidenten entscheidet, einen Umbau der EU-Kommission zu einer "echten EU-Regierung", die Aufwertung des Europäischen Parlaments sowie die Einberufung eines Europäischen Reformkonvents, dem Bürger und Vertreter von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren angehören sollen.