Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Mehr Achtsamkeit im Umgang miteinander

Wie wär's, Diskussionen wieder wertschätzender zu führen?

Dr. Martina Salomon
über den Neujahrsvorsatz 2017

Wenn man sich für 2017 etwas wünschen könnte, das auch noch leicht umsetzbar ist, dann bitte das: Mehr Achtsamkeit im Umgang miteinander!

Im Grunde geht es um lächerliche Kleinigkeiten: In der Wohngemeinschaft (genauso wie in der unfreiwilligen Spielart, genannt Großraumbüro) auch einmal den Geschirrspüler ausräumen, nicht ins Handy starren, wenn man angesprochen wird, den Hund am Halsband nehmen, wenn ein Läufer oder Radfahrer den Weg kreuzt, den Zigarettenstummel nicht auf den Boden werfen, und den Pappkarton des Versandhauses zusammenlegen, bevor er in den Mist kommt, damit nicht die ganze Papiertonne für die restlichen Hausbewohner blockiert ist. Wäre alles eigentlich kinderleicht!

Manieren – in U-Bahn und Schule

Wobei das Manieren-Feld in öffentlichen Verkehrsmitteln ein besonders weites ist: die Tür im U-Bahn-Waggon nicht blockieren, Platz für Kinderwägen machen, kein stark riechendes Essen mitnehmen, nicht alle am (meist wenig weltbewegenden) Telefonat teilhaben lassen, bitte nur gewaschen einsteigen und keine Füße auf die Bank legen. Die Umgangsformen lassen mittlerweile so stark zu wünschen übrig, dass sich die Wiener Linien im abgelaufenen Jahr zu einer eigenen Kampagne entschlossen. Motto: "Fahr fair". Es gehe um die Einhaltung von Spielregeln, sagte Stadträtin Ulli Sima bei der Präsentation. Als Ex-Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer Ähnliches vor 15 Jahren unter dem Titel "Verhaltensvereinbarungen" in der Schule einführte, gab es noch riesige Aufregung darüber. Aber offenbar müssen wir hier in Europa nachvollziehen, was man bei US-Besuchen früher eher fassungslos zur Kenntnis nahm: "Restrooms" in Restaurants zum Beispiel, in denen die Mitarbeiter im Befehlston zu Hygiene aufgefordert wurden: "employee must wash hands".

Essen Sie keine Teddybären

Möglicherweise wird man den Konsumenten wie in den USA nun auch bei uns bald Selbstverständlichkeiten erklären müssen: etwa, dass das Aufsetzen eines Plastiksacks oder das Verspeisen eines Teddybärs ein paar Gesundheitsgefahren birgt. Plus verstärkte Aufklärung über Regeln des Zusammenlebens, wie sie in Europa gelten: dass man zum Beispiel seine Ehefrau nicht straflos verprügeln darf und zwischenmenschliche Probleme selbst unter echten Männern auch ohne Messer lösen soll.

Natürlich geht es nicht nur um körperliche Aggression. Toll wäre auch, wenn man in Podiumsdiskussionen, in sozialen Medien und Onlineforen auf Argumente der Gesprächspartner eingehen würde, statt autistisch herumzuwutbürgern und alle anderen für wahlweise moralisch wertlos/Lügenpresse/hirnverbrannt zu erklären. Wenn sich jemand in der Flüchtlingshilfe engagiert, sollte man ihm gute Absicht und nicht naives Gutmenschentum attestieren. Und wenn sich – umgekehrt – jemand sorgt, dass rund 127.000 Asylanträge innerhalb von zwei Jahren das Land überfordern, sollte man auch nicht gleich die Nazikeule auf ihn niedersausen lassen.

Mehr Wertschätzung, auch für Meinungen, die man nicht teilt, mehr Rücksichtnahme aufeinander: Wäre das nicht ein Super-Vorsatz für 2017?