Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Jetzt unpopuläre Reformen wagen

Eine echte Reform tut weh – und zwar allen. Utopie? Ja, sicher.

Dr. Martina Salomon
über den Reformstillstand

Man kann über Hannes Androsch geteilter Meinung sein, aber er hat eine richtige Idee: Die Politik – inklusive Bundespräsident, Sozialpartner und Opposition – muss einen Reformpakt schließen. Dieser sollte zur Volksabstimmung vorgelegt werden. Was darin stehen muss? Natürlich viel Unpopuläres. Eine echte Reform tut weh – und zwar allen. Utopie? Ja, sicher.

Nötig ist eine Verwaltungsreform, zu der auch gehört, dass sich einzelne Länder nicht jahrzehntelang über die Bundes-Vorgabe hinwegsetzen können, dass ihre Beamten später in Pension gehen. Der Bundesrat wird durch die Landeshauptleutekonferenz ersetzt.

Es gibt steuerliche Erleichterungen für gemeinnützige Stiftungen, damit Mäzenatentum gefördert wird. Die kalte Progression wird aktiv bekämpft, die Einkommenssteuer gesenkt, alles auf den Prüfstand gestellt, also auch Sozialversicherungsabgaben, Kammerumlagen, Wohnbauförderungsbeiträge. Die Österreicher müssen wieder eine Chance erhalten, aus eigener Arbeit Wohlstand zu schaffen. Eine Erbschaftssteuer wird eingeführt, ausgenommen der engste Familienkreis.

Es werden stärkere Anstrengungen unternommen, Unternehmen zu halten bzw. neue (und Gründer) anzulocken. Die mannigfaltigen Schutzbestimmungen für Arbeitnehmer werden reduziert, das Sozialsystem nach unnötigen Ausgaben durchforstet, höhere Leistungsanreize geschaffen. Doppelgleisigkeiten bei Förderungen werden abgeschafft, alle Zwerg-Königreiche hinterfragt. Viele halbstaatliche Einrichtungen (bis hin zu Wirtschaftsforschungsinstituten) gibt es ja nur deshalb doppelt und dreifach, damit Rot und Schwarz "ihre" Leute an einflussreichen Stellen sitzen haben.

Große Bildungsreform

An den Unis werden Studienbeiträge eingeführt, gleichzeitig aber auch eine echte Studienplatzfinanzierung. Studenten werden nicht mehr als lästige Bittsteller behandelt. Wissenschafterkarrieren werden planbarer.

Die polytechnische Schule wird abgeschafft, dafür eine Berufsgrundbildung geschaffen. Das Handwerk wird (schon von der Schule an) aufgewertet.

Das Pensionsantrittsalter steigt auf 67, es gibt höhere Anreize für längeres Arbeiten, aber auch vernünftige Altersteilzeitmodelle. Die Lohnkurve wird flacher.

Und, ja, die Regierung verpflichtet sich zu regelmäßigem Gedankenaustausch mit führenden Köpfen aus Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Hannes Androsch hat ihr vorgeworfen, "autistisch" zu sein. Viel schlimmer aber ist, dass sie nicht an einem Strang zieht. Leider ist die Große Koalition eine Fehlkonstruktion, angesichts der politischen Verhältnisse derzeit aber nicht zu ändern. Das macht unpopuläre Reformen so schwierig. Erst recht, wenn das handelnde Spitzenpersonal schwächelt. Gut möglich, dass erst die Nachfolger von Faymann/Spindelegger einen Kraftakt schaffen. Aber müssen wir erst in eine wirklich tiefe Krise taumeln, damit die Notwendigkeit zum Handeln erkannt wird?