Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Der Marktwert für die Ware Mensch

Diesmal ist es ein Baby in Thailand mit Downsyndrom, vielleicht war es in der Vorwoche ein Bootsflüchtling.

Mag. Konrad Kramar
über die Ware Mensch

Diesmal ist es ein Baby in Thailand mit Downsyndrom, vielleicht war es in der Vorwoche ein Bootsflüchtling, ertrunken irgendwo im Mittelmeer, oder eine Textilarbeiterin aus Bangladesch, erstickt in den Flammen einer Textilfabrik. Voll Entsetzen starren wir dann auf ein Gesicht. Ahnen und wollen es doch nicht wissen, dass es das Gesicht des alltäglichen Schreckens ist, den wir in Kauf nehmen. Ob es sich nun um den Wunsch nach einem Kind, dem wohl tief greifendsten in jedem, oder aber um das ganz banale Glück handelt, sich noch ein buntes T-Shirt leisten zu dürfen. Die Globalisierung stellt uns die Erfüllung dieser Wünsche in Aussicht. Und um das Geschäft nicht zu beeinträchtigen, wird der Blick hinter die Kulissen mit Werbung und ein paar griffbereiten moralischen Ersatzhandlungen ("ist chemiefreie Baumwolle") vernebelt.

Es ist zutiefst menschlich, das Leiden anderer Menschen möglichst weit von sich wegzurücken, diese so fremd wie möglich zu machen. Noch vor kaum mehr als 100 Jahren nahm eine reiche Familie weder die Ammen, die ihre Kinder säugten, noch die Arbeiter, die in ihren Fabriken schufteten, tatsächlich als Menschen wahr. Es war die historisch einzigartige Leistung des modernen Europa, eine Gesellschaft zu schaffen, in der jeder – zumindest über den Umweg des Sozialstaates – für den anderen mitverantwortlich war. Auf dem globalen Markt, der uns ja so oft als einziger Weg in die Zukunft präsentiert wird, muss dieses Recht eines Tages für alle, die an ihm teilnehmen, gelten. Eine Tragödie wie die in Thailand zeigt nur, dass man der globalen Marktwirtschaft dieses Recht politisch abringen muss. So wie es die Arbeiter einst in Europa taten.