Berechtigte Sorgen um die Demokratie
Von Peter Rabl
Es hat sich nichts zum Positiven verändert seit damals. Im Gegenteil.
über Österreichs Politik
Es zeigt sich, dass das Führungspersonal in Politik und Sozialpartnerschaft intellektuell ausgelaugt ist.“ Zitat aus meinem ersten Kommentar an dieser Stelle am 10. April 1993. Und ein Monat später ein weiterer damals aktueller Befund: „Die Koalition, angetreten als Reformpartnerschaft, hat sich in totaler gegenseitiger Blockade verstrickt.“
Es hat sich nichts zum Positiven verändert seit damals. Im Gegenteil. Kanzler Vranitzky, im Rückblick zunehmend eine ferne Lichtgestalt, konnte einen Kanzlerbonus um die 60 Prozent verbuchen – Faymann kommt heute gerade einmal über 20. Die damals wirklich noch große Koalition stützte sich auf 73 Prozent Wählerstimmen – die heutigen rot-schwarzen Erben müssen bei der kommenden Wahl erst einmal über gemeinsame 50 Prozent kommen.
Wenn dagegen laut Meinungsumfrage rund 60 Prozent der Österreicher finden, „ein starker Mann wäre gut für Österreich“ zeigt sich das alarmierende Ausmaß der Legitimationskrise der bestehenden Politik. Und auch wenn diese Aussage nicht unbedingt den Ruf nach einem Diktator bedeuten muss, so belegt sie doch gravierende Zweifel an der real existierenden Demokratie.
Zweifel, die beileibe nicht auf Österreich beschränkt sind. Europaweit untergraben Ursachen und Folgen der anhaltenden Wirtschaftskrise die Legitimation überforderter demokratischer Politiker und Institutionen.
Druck von mehreren Seiten
Eine der wichtigsten Wurzeln dieser historischen Wirtschaftskrise ist die Machtverschiebung von der demokratisch legitimierten Politik zu den Eliten eines ungehemmten Marktes. „Marktgerechte Demokratie“ anstelle der demokratischen Ordnung von „demokratiegerechten Märkten“ steht am Ende als frecher Anspruch der Nutznießer des Turbo-Kapitalismus. Ungeniert werden in diesen Kreisen die Vorzüge autoritärer Regime für die wirtschaftliche Entwicklung diskutiert.
Weltweit hat sich die Politik diesem Diktat der Märkte unterworfen. Auch nach dem Platzen der globalen Spekulationswirtschaft ließ sich die Politik bis zuletzt als Reparaturbetrieb eines gescheiterten Systems zulasten und auf Kosten ihrer Bürger missbrauchen.
Schlimmes Beispiel für anhaltendes Politik-Versagen: Gegen die grassierende und längst systemgefährdende Seuche der Jugendarbeitslosigkeit plant die EU gerade einmal 6 Milliarden Förderungen ein. Das sind 6 Promille des europäischen Finanzrahmens. Oder in etwa die Kosten für die Abwicklung einer einzigen Pleitebank wie der Hypo Alpe-Adria.
Demonstrationen, Streiks und Zulauf zu radikalen Parteien sind in den Krisenstaaten erste, aber deutliche Warnzeichen. Verschärfen sich die Folgen der Krise für Millionen Bürger, ist die Demokratie nicht mehr jenseits aller vernünftigen Zweifel. Wer hätte so etwas vor 20 Jahren auch nur für denkmöglich gehalten?
Die spannende Zukunft werde ich nicht mehr an dieser Stelle kommentieren. Bleibt nur der herzliche Dank für Interesse, Zuspruch und Kritik von Ihrer Seite.
Vor 20 Jahren hat Peter Rabl seinen ersten Kommentar im KURIER geschrieben, heute lesen Sie seinen letzten Kommentar in dieser Zeitung. Mit seiner Meinung wird er aber weiter nicht zurückhaltend umgehen.
Es gibt wenige Journalisten, die mit dem KURIER so verbunden sind wie Peter Rabl. Schon im zarten Alter von 27 Jahren wurde er Chef der Innenpolitik, bald darauf stellvertretender Chefredakteur. Nach einer Karriere im ORF , wo er Hauptabteilungsleiter war und Magazine wie „Politik am Freitag“ und „Inlandsreport“ erfand, kehrte er als Herausgeber des profil in den Printbereich zurück.
1993 bis 2005 war er schließlich Herausgeber und Chefredakteur des KURIER.
Es gibt TV-Bilder, die lange in Erinnerung bleiben. Für politisch Interessierte gehört das Interview, das Peter Rabl und der leider schon verstorbene Hans Benedict mit Kurt Waldheim im Jahr 1988 gemacht haben, dazu.
Der Bundespräsident hatte Schwierigkeiten mit seinem Erinnerungsvermögen, aber Rabl fragte und fragte. Lauernd, neugierig und bohrend. Seine Körpersprache verriet Ungeduld und Wissensdurst. Diplomatisch war das Interview nicht angelegt, aber das ist er in anderen Situationen ja auch nie gewesen, bis heute nicht.
Das werden auch alle merken, die seinen neuen Blog lesen werden, zu finden unter DerRabl.at.
Es würde auch nicht verwundern, wenn Rabl wieder im Fernsehen auftauchen würde. Bei der Wiederauferstehung des legendären Club 2 hat er kräftig mitgeholfen, dessen neuerliche Einstellung war nicht nur für ihn unverständlich.
Viele Journalisten haben bei Rabl gelernt oder haben – wie der aktuelle Chefredakteur – von ihm jung eine große Chance bekommen. Im Namen von uns allen – Herzlichen Dank.