Meinung/Kommentare/Aussenpolitik

Wie "kommunistisch" ist Europa?

Zwischen den USA und Europa liegt ein Atlantik aus Vorurteilen

Dr. Martina Salomon
über das transatlantische Verhältnis

Der Staat kümmert sich um alle Lebensbereiche – dafür zahlt man für jeden Cent, der über einem Jahreseinkommen von 60.000 Euro liegt, 50 Prozent Steuer. Reinster Kommunismus ist dieses österreichische (europäische) Modell aus der Sicht von US-Bürgern. Umgekehrt wirkt für Europäer selbst die Politik von Obamas Demokraten wie schlimmster „Neoliberalismus“. Die Selbstverantwortung der Bürger ist das höchste Gut für Amerikaner – und Teil ihres Aufstieg-Traums. Zwischen den USA und Europa liegt ein Atlantik aus Vorurteilen. Natürlich ist eine staatliche Krankenversicherung sinnvoll. Aber seien wir ehrlich: Um den Gegenwert, den ein Durchschnitts-Österreicher für seine Gesundheit (auch via Steuern!) zahlt, bekommt man auch in den USA eine gute Krankenversicherung. Und Zwei-Klassen-Medizin gibt es bei uns (in milderer Form und versteckter) auch.

Oder Beispiel Bildung: Amerikaner zahlen zwar niedrige Steuern, aber unglaublich viel Geld für eine gute Bildung ihrer Kinder. Stimmt. Arme können sich das nicht leisten. Stimmt nur bedingt. Begabte können mit Stipendien rechnen, „Diversity“ ist vor allem an Top-Unis Pflicht. Auch die zwei Österreicher, die derzeit als „Undergraduate“ in Harvard studieren, müssen nicht die volle Gebühr von 60.000 Euro pro Jahr zahlen, sondern bekommen ein großzügiges Stipendium von der Harvard-University. Umgekehrt hat die Gratis-Uni in Österreich keineswegs dafür gesorgt, dass mehr Arme studieren – von der Qualität der Ausbildung ganz zu schweigen. Österreichische Top-Studenten in den USA bleiben auch ganz gern zum Arbeiten in Amerika, weil sich Leistung dort lohnt. Nur in der Pension wollen sie lieber nach Österreich zurückkehren. Am Ende haben sie wahrscheinlich das Beste aus beiden Welten gewählt.