Meinung/Kommentare/Aussenpolitik

Vertrauen ertragen

Die Große Koalition hat gute Chancen

Reinhard Frauscher
über Deutschland

Die Verhandlungen von Union und SPD werden diesmal länger als die acht Wochen von 2005 brauchen. Denn die SPD ist jetzt noch schwieriger. Ihre Basis bringt die Gerechtigkeitsrhetorik des Wahlkampfs nicht auf realistische Regierungsverantwortung. In Merkels erster Großen Koalition gelang der SPD das nicht, und in den vier Oppositionsjahren noch weniger. Sie ignoriert die späte Einsicht ihres Kanzlers Gerhard Schröder: Es gibt keine Mehrheit mehr für soziale Wohltaten, die mit noch mehr Steuern und Schulden für die nächsten Generationen finanziert werden.

SPD-Chef Gabriel, der „seinen“ Kanzlerkandidaten Steinbrück zu einem Linksruck gezwungen hatte, muss die Partei nun auf den harten Weg in die Realität lotsen. Und der heißt Kompromisse bei Programm und Posten.

Dass ihm das gelingt, ist wahrscheinlich: Er hat seit dem Wahlabend nichts falsch gemacht. Und die Pragmatikerin Merkel sendet Signale, dass sie mit Sigmar kann – und will. Schwieriger wird es mit der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, seiner schon stärksten SPD-Konkurrentin. Doch auch die ist flexibel und machtbewusst, wie ihr kühles Arrangement mit der „Linken“ bewies.

Für die schwierigsten Sachthemen bastelt man schon an Formelkompromissen. Bei Posten herrscht mehr Flexibilität auf beiden Seiten als 2005, nur wer sich jetzt schon über willige Journalisten ins Spiel bringt, hat schlechte Karten bei Merkel.

Das Wichtigste in Koalitionen ist persönliches Vertrauen. Das scheint im Mindestmaß zwischen Merkel und Gabriel da zu sein. Wie schon 2005. Sie müssen – und wollen sich (v)ertragen.