Frankreich: Sieg des Mannes ohne Partei
Traditionelle Parteien haben kaum noch Bedeutung, das gilt jetzt auch für Frankreich.
über die Wahlen in Frankreich
Es wirkte geradezu komisch, als der sozialistische Kandidat Benoit Hamon am Sonntagabend empfahl, im zweiten Wahlgang für Emmanuel Macron zu stimmen. Wen interessiert das noch, was der Mann sagt? Gerade einmal 6 (!) Prozent der Franzosen stimmten für den Sozialisten. "Eine tiefe Wunde für die Partei", beklagte Hamon. Ach was, eine Zerstörung. Der Konservative Francois Fillon erreichte immerhin knapp ein Fünftel der Wähler. Aber traditionelle Parteien haben kaum noch Bedeutung, das gilt bereits in einigen Teilen Europas, jetzt auch für Frankreich, und wird bald noch in mehr europäischen Ländern der Fall sein.
Überall in der Grande Nation herrscht Unsicherheit. Emmanuel Macron, früher Banker, dann sozialistischer Minister, hat davon am meisten profitiert. Seine Bewegung "En Marche!" zeigt noch nicht wirklich eine politische Richtung, aber sein junges Gesicht gibt wenigstens Hoffnung. Wobei nicht die Korruption der alten Politikerklasse ausschlaggebend für die Schwäche der traditionellen Parteien war – den Griff in die Staatskasse verzeihen die Franzosen eher als andere –, es ist die Unfähigkeit, mit den Problemen des Landes fertig zu werden: Die Arbeitslosigkeit ist in der Regierungszeit von François Hollande zwar nicht gestiegen, aber bei rund 10 Prozent hoch geblieben. Ohne Aussicht auf Verbessrung. Und fast ein Viertel der Jugendlichen ist ohne Arbeit und ohne Zukunft. Die Rezepte für mehr Wirtschaftswachstum waren im Wahlkampf dürftig. Mehr Liberalismus wollten die einen, Verstaatlichungen die anderen. Und dann der Terror. Frankreich wurde davon stärker getroffen als andere europäische Länder. Wenn Frau Le Pen meinte, dass das unter ihrer Präsidentschaft undenkbar gewesen wäre, ist das natürlich die Unwahrheit. Denn auch bei völlig geschlossenen Grenzen hätten die Attentäter agiert, Männer, die in Frankreich geboren wurden. Der Terror ist kein Thema der Flüchtlinge, von denen Frankreich nur wenige aufgenommen hat, sondern schon eher ein Erbe der Kolonialzeit. Das sieht man in den Vororten der Großstädte – soziale Probleme, die viele Regierungen allzu lange unterschätzt haben.
Macron hat sich getraut, die Vorteile der EU für Frankreich klar auszusprechen. Marine Le Pen hat zuletzt nicht mehr von einem Austritt aus der EU gesprochen, sondern nur noch einen neuen "Wirtschaftspatriotismus" verlangt, was auch immer das sei. Jedenfalls will sie aus dem Euro austreten. Wenn die einzige Chance der Franzosen für mehr Exporte eine schwache nationale Währung ist, dann zeugt das nicht von Stärke. Wie es überhaupt Zeit wird, die Rechtsextremen in Europa nicht zu überschätzen. Eine Mehrheit haben sie nirgends.
Macron ist Klavierspieler und Kickboxer – ob er notwendige Reformen sanft oder deutlich angehen wird, weiß er vielleicht selbst noch nicht. Aber er signalisiert wenigstens ein Stück Hoffnung auf eine Politik mit mehr Anstand und ohne extremistische Sprüche.