Meinung/Kommentare/Aussenpolitik

Die letzte Stärke der Allerschwächsten

Der Optimismus ist bei vielen Amerikanern verzweifelter Wut gewichen.

Mag. Konrad Kramar
über das Massaker in Connecticut

Und wieder setzt namenloses Grauen das immer gleiche Karussell aus Zorn und Halsstarrigkeit in Bewegung. Wieder rufen der Präsident, liberale Politiker und Psychologen nach einer Änderung der US-Waffengesetze, fordern eine Entwaffnung der US-Gesellschaft – und wieder wird das andere Amerika seine in Stein gemeißelte Antwort geben. Das Recht, Waffen zu tragen, sei in der US-Verfassung verankert, nur mit dem Gewehr könne ein aufrechter Bürger seine Freiheit verteidigen. Es ist nur eines dieser archaischen Rituale, die tief in der US-Gesellschaft verankert sind – und sich immer tiefer eingraben, je kaputter diese Gesellschaft wird. Wie sonst könnten rechte Politiker behaupten, es sei persönliche Freiheit, keine Krankenversicherung zu haben.

Der amerikanische Traum vom Weg nach oben, der jedem offen steht, den kann eine in Armut feststeckende Unterschicht nicht einmal mehr träumen. Das amerikanische Idyll der small town mit ihrem unverwüstlichen Gemeinschaftssinn ist in gesichtslosen Vorstädten untergegangen. Der Optimismus, die größte Stärke der Amerikaner, ist bei vielen verzweifelter Wut gewichen. Es ist eine Wut über die eigene Hilflosigkeit, das zu tun, was der Inbegriff des „american way of life“ war: Sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Selbst in die Hand nehmen können diese Verzweifelten nur noch eines: ihre Gewehre. Und deshalb werden sie sich daran festklammern, auch wenn es oft ihre eigenen Kinder sind, die diese Waffen töten.