Very British: Glauben und nix wissen
Von Harald Schume
I think. "Ich glaube", ist in Großbritannien die am öftesten gehörte Antwort. Und zwar auf jede Frage. Will man zum Beispiel von einem der 80.000 Freiwilligen, die an jeder Ecke stehen, wissen, wie er heißt, sagt er vermutlich auch: "Ich glaube, John." Und der, der vor Tribüne 12a steht, sagt: "Ich glaube, 12a ist links. Rundherum."
Freilich darf man zu den Freiwilligen nicht sagen: "Ich glaube, du hast einen Vogel." Dafür sind sie viel zu höflich und unterbezahlt – sie bekommen für ihren Einsatz nämlich nichts außer ein Leiberl, eine Hose und einen Rucksack. Aber nach fünf sinnlosen Stadionrunden an fünf aufeinanderfolgenden Tagen geht selbst dem fittesten passiven Olympia-Sportler die Luft aus und die ewig gleiche Antwort auf die Nerven.
Was tun? Nicht mehr fragen und selbst suchen? Einen Dialog beginnen, der mit "ich glaube nicht, dass ..." beginnt? Also einen zweiten Menschen zu Rate ziehen. Auch der Mann, den John ruft, macht den Eindruck, als wisse er nicht, wie er heißt. John sagt: "Ich glaube, rechts." Der andere sagt: "Ich glaube, links." Beide glauben, dass sie recht haben. Sie diskutieren und verkünden stolz: "Wir glauben, links." Zum Dank kriegt jeder ein Pfund Trinkgeld.
Ich glaube, ich hätte auf sie hören sollen. Trotz der Auskunft vor ihren Augen frech nach rechts zu gehen, war nämlich die falsche Entscheidung.