Very british: Aber geh!
Von Harald Schume
Die Briten sind ein sportbegeistertes Volk. Sogar Trampolinspringen war ausverkauft. Im Foyer gab es "frisches Obst aus Great Britain" – Bananen. Die schottischen Bananen sollen ja noch viel besser schmecken als die walisischen.
Die fairen Briten feuern jeden Athleten an, egal, aus welchem Land er kommt. So auch Chen Ding. Chen Ding hebt sich wohltuend von der Masse der Chinesen ab. Er besitzt Charisma, hat Kunstsinn, kann vermutlich auch schön singen und ...
... ist Geher.
Chen Ding ging allen auf und davon (oder sagt man entging?) und war der Schnellste über die olympischen 20 Kilometer.
Was würden Sie sagen, wenn Ihr Kind den Wunsch äußert, Geher werden zu wollen? Na geh! Oder: Geht’s noch? Oder gar: Geh sch...?
Wie wird das Talent eines Gehers entdeckt? Vermutlich durch Zufall. Sagt der Papa zum Buben: "Geh heim, aber schnell" – und schon ist der Startschuss zur großen Karriere erfolgt.
Warum will jemand Geher werden, wenn er theoretisch laufen könnte? Geht es ihm darum, immer am Boden zu bleiben, mit einem Fuß zumindest?
Darf man einen Geher fragen, wie es läuft? Oder läuft ihm das auf die Nerven?
Wenn ein Geher zum Training muss und spät dran ist, läuft er dann gehen? Oder merkt er, dass sich eh alles locker ausgeht?
Gibt es beim Gehen einen Zieleingang? Heißt das Finale Endgang? Spaziert ein Geher seinen Vorsprung mit Leichtigkeit nach Hause?
Chen Ding wusste auf all diese Fragen eine Antwort. Er hatte leichtes Spiel. Vielleicht auch, weil sein Gegner aus Venezuela ausgeschlossen wurde. Das geht so: Hat ein Geher beide Füße zeitgleich in der Luft, ist er quasi ein Läufer. Und das geht auf keine Kuhhaut, er wird mit Gelb verwarnt. Beim zweiten Regelverstoß hält ihm ein Manderl die Rote Karte Zentimeter vors Gesicht. Aus, vorbei, Disqualifikation.
Ja, so schnell kann’s laufen, wenn die Dinge erst einmal ihren Gang genommen haben.