Meinung/Kolumnen/Ueberleben

Wortwiederholung

Weil wir gerade von Schulaufsätzen reden: Wer hat eigentlich die unsinnige Behauptung aufgestellt, Wortwiederholungen wären falsch? Kleist, Goethe, Schiller kümmerten sich nicht darum und wiederholten, wie es ihnen passte. Thomas Bernhard besteht sogar zur Gänze aus Wortwiederholungen. Wenn Bernhard fand, in einem Stück gehört 57-mal "Brandteigkrapfen" gesagt, dann schrieb er 57-mal "Brandteigkrapfen" hin, und wehe dem Regisseur, der "Brandteigkrapfen" nach dem 56. Mal durch "die Mehlspeise" oder "süße Köstlichkeit" ersetzt hätte!

Wer bestimmt, dass Wortwiederholungen falsch seien? "Der Lehrplan", sagt mein Mütterlein, das viele Jahre lang Deutsch unterrichtete. Generationen von Lehrern müssen ihren Schülern einreden, dass Wortwiederholungen falsch seien, weil es irgendwann irgendwer in den Lehrplan hineingeschrieben hat. Die solcherart sprachlich verdorbenen Schüler geraten dann auf die schiefe Bahn und werden im schlimmsten Fall Journalisten. Als solche laborieren sie öffentlich an einem furchtbaren Leiden: an Synonymitis. Also an der krankhaften Sucht, Wortwiederholungen zu vermeiden, selbst um den Preis, in einer schwachsinnigen Sprache zu schreiben, die außerhalb von Medien nicht existiert. Oder haben Sie jemals jemanden sagen hören: "Ich reise mit meinem fahrbaren Untersatz in die Mozartstadt, um dort ein Glas kühles Nass zu trinken und mich anschließend am blauen Dunst meines Glimmstängels zu erfreuen?" Kein Mensch würde jemals Drahtesel sagen oder Pedalritter oder weiße Pracht. Oder Säckelwartin der Nation, wenn er Fr. Fekter meint.

Liebe Lehrer, pfeift auf den Lehrplan und sagt euren Schülern: Ein klares, gutes Wort darf man nicht nur wiederholen, man soll es sogar. Es gibt übrigens kein Synonym für Wortwiederholung, und schon deshalb mag ich das Wort.

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