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Undichte Duschen

Aber überall ist die Dusche undicht: in Stockholm, in Helsinki, in Berlin, in Amsterdam, in London, in New York, in Paris.

Guido Tartarotti
über undichte Duschen

Das Erste, was mir in Rom auffällt: Auch hier ist die Dusche undicht. Ein Mal im Jahr leiste ich mir ein Hotel, das mir eigentlich zu teuer ist, um von dort ausgehend stunden- und tagelang durch eine schöne Stadt zu wandern. Weil man dabei schwitzt, wünsche ich gelegentlich zu duschen. Aber überall ist die Dusche undicht: in Stockholm, in Helsinki, in Berlin, in Amsterdam, in London, in New York, in Paris. Und auch in Rom. Mein Eindruck dabei: Je teurer das Hotel, umso undichter die Dusche (ja, ich weiß, undicht kann man nicht steigern, ich mache es trotzdem, weil ich Lust dazu habe).

Das Hotel in Rom – es liegt in einem Diplomatenviertel nahe der Villa Borghese und gibt sich reichlich hochnäsig – laboriert an den Minderwertigkeitskomplexen seines Innenarchitekten. Wie alle schlechten Architekten hält er sich zuerst für einen Künstler und dann erst für einen Dienstleister, er gestaltet keine Räume, sondern "Bereiche", er richtet nicht ein, er "inszeniert Ambiente", kurzum: Ihn drücken intellektuelle Blähungen.

Das wirkt sich z. B. bei der Dusche so aus: Die Dusche ist keine Dusche, sondern eine Raumintervention aus Glas und Marmor und verschiebbaren, schwingenden Flächen. Sieht wunderschön aus, ist aber vollkommen ungeeignet, darin einem Duschvorgang nachzukommen. Weil: Niemand konnte oder wollte all die in diesem Gebilde auftretenden Spalten, Fugen und Öffnungen abdichten, weshalb sich das reichlich aus der futuristischen Deckenbrause strömende Wasser in Sekundenschnelle im gesamten Badezimmer, pardon, -bereich verteilt und jedes dort existierende Leben (Menschen, Handtücher, Klopapier, Sanitärwaren, Kleidung) ertränkt. Darum gingen wir in der Nacht auch grundsätzlich mit Taucherausrüstung aufs Klo, weshalb wir noch leben, was uns sehr freut.