Meinung/Kolumnen/Ueberleben

über LEBEN: Zelturlaube

Man kann natürlich auch im Zelt schlafen. Als Kind stellte ich mir so den idealen Urlaub vor: Man packt einen Rucksack und marschiert in die weite Welt. Und zwar genau fünf Meter, stellt sein Zelt im Garten unterm Tannenbaum auf und lebt in der Wildnis, keine 20 Sekunden entfernt von Mutters Kaiserschmarrn, dem eigenen Klo und einem weichen Bett. Der Spaß beim Zelten ist ja nicht das Zelten, sondern das Feuermachen. Ordentlich zündeln und danach über dem Flammen Wurstwaren zu Tode räuchern, dazu billigen Rotwein, der sauer nach Romantik schmeckt, und außerdem Gesang zur Gitarre. Ja, ich gestehe, ich zähle zur gefürchteten Gattung der Lagerfeuergitarristen, wobei ich lieber meine eigenen Songs spiele als "Leaving On A Jetplane".

Meine ersten Erfahrungen als Zelturlauber machte ich als 13-Jähriger: Fünf Wochen (!) Camping in den Dünen Apuliens. Man wohnt auf Sand, sieht nur Sand, isst, trinkt, atmet und denkt Sand. Als ich danach zum ersten Mal wieder ein Klo mit Wasserspülung sah, brach ich vor Glück in Tränen aus. In Apulien verpasste ich übrigens mein erstes erotisches Erlebnis. Eine dicke, 16-jährige Schweizerin wollte mich im Sand verführen, aber ich hatte Angst vor ihr. Wunderbar ist das Zelten in den USA. Da das Land sich selbst einreden will, dass die Pioniertage nicht vorbei sind, gibt es dort hinter jedem Busch einen Campground. Die sehen so aus, als wären sie tiefste Wildnis, haben aber stets einen planierten Parkplatz. Einmal zeltete ich mit meiner Freundin in der Sierra Nevada, wir konnten vor Kälte nicht schlafen. Fluchend schälte sie sich aus dem Schlafsack, um in den Wald austreten zu gehen. Ich warnte sie vor dem Bären. "Der Bär soll mir nur kommen", zischte sie, "dem Bären dazähl' ich was!" Ich sah in ihr wütendes Gesicht und bekam Angst. Um den Bären.