über LEBEN: Leistung
Von Guido Tartarotti
Die richtige Antwort wäre: Weil ich Lust hatte. Aber die gebe ich nie. Wenn man mich fragt, warum ich mir eine Vespa zugelegt habe, dann fasle ich etwas von weniger Auto fahren und schneller in der Stadt vorankommen und leichter einen Parkplatz finden. Etwas, das Sinn macht (als ob man Sinn machen könnte). Und nie sage ich: Weil Vespafahren mir Freude macht. Meine Freundin studiert Ethnologie, Fachgebiet Migrationsforschung. Wann immer die Sprache darauf kommt, muss sie sich rechtfertigen: Warum gerade dieses Studium? Wie wolle sie damit einmal Geld verdienen? Gebe es da Chancen auf eine Karriere? Und immer gibt sie brav und geduldig Auskunft, anstatt einfach zu sagen: Ich studiere nicht, um auf kürzestem Weg zu möglichst teuren Statussymbolen zu kommen. Ich studiere, weil ich will! Weil mich dieses Fach interessiert, weil es mir Freude macht, zu lernen. Wir Menschen haben die bemerkenswert unintelligente Eigenschaft, den Wert dessen, was wir heute tun, erst rückwirkend aus der Zukunft zu messen. Gut ist eine Handlung, wenn sie uns später Vorteile eingebracht haben wird. Das wichtigste Wort in diesem Zusammenhang ist Leistung. Dabei sind wir enorm talentiert darin, zu vergessen, dass Leistung auch bedeutet, ein Buch zu lesen, einen Song zu schreiben, seine Laufzeit zu verbessern, einen klaren Gedanken zu denken, klüger zu werden. Ein Stück Gegenwart erfüllend gelebt zu haben. Der neue, junge Staatssekretär prahlte in einem Interview damit, 17 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche zu arbeiten. Er glaubt wohl, dadurch seinen Ruf zu verbessern. Dabei sollten wir ihm dafür das Vertrauen entziehen. Ein Mensch, der ohne Erholung, ohne Privatleben, ohne halbwegs ausreichenden Schlaf wichtige Entscheidungen trifft, ist ein Risiko. Oder würden Sie mit einem Piloten mitfliegen, der so lebt?