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über LEBEN: Amtshandlung

Unlängst habe ich etwas gesehen, von dem ich dachte, es komme nur im Kabarett vor, nicht aber in der freien Wildbahn: Zwei Polizisten gaben einem Fußgänger einen Strafzettel.

Der Fußgänger hatte die Straße in großer Eile überquert, die rote Fußgängerampel missachtend. Die Polizisten stellten ihn, belehrten ihn über sein Verbrechen und begannen, ein Strafmandat über 20 Euro zu schreiben.

Der Fußgänger fragte entgeistert: "Das ist jetzt ein Scherz, oder?" Aber die Staatsgewalt scherzt nicht, sie übt sich aus. Obwohl sie dabei durchaus lächeln kann: Das ältere Organ, ausgestattet mit einer Überdosis Amtsautorität und einem prächtigen Schnauzbart Marke Rotzbremse, strahlte vor Begeisterung, amtshandeln zu dürfen. Je fassungsloser der Beamtshandelte wurde, umso breiter wurde das Grinsen des Organs. Seine junge Kollegin wirkte eher peinlich berührt, aber er schwitzte sogar ein bisschen vor Freude über das Wissen: Er. War. Im Recht.

Und natürlich: Das war er. Bei Rot über die Kreuzung gehen ist verboten. Der Fußgänger hatte noch Glück, dass er in Wien in Konflikt mit dem Gesetz kam und nicht z. B. in den USA.

Dort hätte man seine Handlung vielleicht als terroristischen Akt gewertet, den Mann zuerst erschossen, dann für 788 Jahre in Guantánamo in den Käfig gesteckt und anschließend auf den elektrischen Stuhl gesetzt. Andererseits: Als der Mann die Straße überquerte, waren zwar Hunderte Autos zugegen, doch die fuhren nicht. Sie konnten gar nicht fahren, denn es herrschte in beiden Fahrtrichtungen Steh-Stau.

Eigenverantwortung? In einem Staat, der seine Bürger als Teilentmündigte betrachtet, ist so etwas eben strafbar.

Guido Tartarottis neues Kabarettprogramm "Heini Hemmi" hat am 8. März im Stadttheater Walfischgasse Premiere.

www.guidotartarotti.at guido.tartarotti(at)kurier.at

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