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über LEBEN: Alles muss eine Sensation sein

Im modernen Boulevard-Medienwesen gilt die Pflicht zur journalistischen Dauererektion. Offenbar zwangsweise unter Viagra gesetzt, schreiben die Redakteure ständig im Aggregatzustand der äußersten Erregung. Alles, auch die kleinste Banalität, muss eine Sensation sein. Z. B. die Billigzeitung, die kann man kaum ohne Ohropax lesen, denn sie brüllt ohne Unterlass, wie ein verhaltensoriginelles Kind, um Aufmerksamkeit. Dieser Tage kreischte das Blatt: "Heißer Kuss - Lesbeneinlage. Rihanna küsst Britney." Pech für die Gazette: Im YouTube-Zeitalter kann man sowas leicht überprüfen. Was ist also wirklich passiert, auf der Bühne bei den Billboard-Awards? Rihanna gibt Britney Spears ein Küsschen auf die Wange. Heißer! Kuss! Lesben! Einlage! Das lässt Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt anderer Geschichten zu. Alles nichts gegen die Kinos in der Lugner City: Dort werden nicht weniger als Wunder verlangt, erzählt der Leser Norbert S. Ein Rollstuhlfahrer, der in der Lounge keinen Platz fand, erhielt an der Kasse den Rat: "Dann müssen Sie halt aufstehen und sich woanders hinsetzen." Niedersetzen musste sich auch ein 31-jähriger Pferdebesitzer aus Salzburg, der von einem Huftritt verletzt wurde. Der KURIER beschrieb den Unfallhergang so: "Eine Stute hatte aufgeschlagen." Daraus lässt sich eine Lehre ziehen: Tennisspielen mit weiblichen Pferden ist gefährlich. Zurück zur Billigzeitung: Laut dieser treibt dieser Tage ein "Oma-Räuber" sein Unwesen. Was er mit den geraubten Omas macht, bleibt ungeklärt. Vielleicht bringt er sie zum Oma-Hehler. Falls Sie eine Oma sind, müssen sie also aufpassen. Und zwar doppelt. Wenn Sie sich nämlich dabei erwischen lassen, wie Sie Ihren Enkel auf die Wange küssen, könnte bald in der Zeitung stehen: Heiße Inzest-Einlage. Die letzten Vorstellungen von Guido Tartarottis Kabarettprogramm "Daneben": 3. und 4. Juni, Theater am Alsergrund , www.alsergrund.com