Meinung/Kolumnen/Ueberleben

Rosinen-Bürgerkrieg

Warum schmeckt uns etwas oder nicht?

Guido Tartarotti
über den Geschmack

Die mit Abstand größte Zahl von Kommentaren erntete ich auf Facebook, dieser riesigen elektronischen Bassena, mit der Frage „Rosinen – ja oder nein?“ Obwohl man dieses Thema im Grunde genommen überhaupt nicht diskutieren kann, versuchten die Facebooker einander wort- und argumentereich zu überzeugen, verbale Scharmützel brachen aus, der Gesprächston wurde unerfreulich. Als ich das Gefühl bekam, wir stünden kurz vor dem Ausbruch von Straßenschlachten, löschte ich die Frage wieder, um nicht den Ausbruch eines Rosinen-Bürgerkriegs verantworten zu müssen.

Warum schmeckt uns etwas oder nicht? Im RTL-Dschungelcamp essen sie Maden, und das schreckt mich nicht – sind ja auch nur trockene Garnelen. Ich äße wesentlich lieber Made als noch einmal Popcorn (da habe ich ein frühkindliches Vomitationstrauma), Bärlauch (schmeckt nach Schweißfuß) oder Schnecke (schmeckt wie eine Mischung aus Rotz und Atommüll). Ich finde auch, Alkohol – selbst in der teuersten Form – schmeckt widerlich. Da ich die Wirkung recht heiter finde, trinke ich trotzdem manchmal Alkohol, vermischt mit viel Cola.

Ich war einmal mit einer Gourmetkritikerin verheiratet und aß daher zwangsläufig oft in Haubenlokalen. Aber nichts hat mir je so gut geschmeckt wie ein Hamburger Royal mit Käse, Freitag gegen Mitternacht. Das war unser Ritual: Wenn die Produktion der Sonntagszeitung geschafft war, aßen wir zur Belohnung beim McDonald’s auf dem Wiener Berg. Hamburger Royal, FishMäc (der jetzt Filet-o-Fish heißt), sie stahl mir mit den Fritten die Sauce Tartare, ich tat so, als sähe ich es nicht, dazu tranken wir Erdbeershakes. Hat besser geschmeckt als das 2000-Schilling-Menü beim Koch des Jahrhunderts. Übrigens: Rosinen. Natürlich ja! Was für eine Frage!

www.guidotartarotti.at guido.tartarotti@kurier.at