Glaube schlägt Wissen!
Von Guido Tartarotti
Wir Menschen sehen immer das, was wir wollen. Beziehungsweise das, worauf wir achten. Man kann das leicht überprüfen: Erwartet die eigene Frau oder Freundin ein Baby, sieht man plötzlich viel mehr Schwangere als sonst auf der Straße. Ähnlich ist der Effekt, wenn wir uns eine Bulldogge zulegen wollen, uns einen Schnurrbart wachsen lassen oder uns eine Vespa gekauft haben: Wo kommen plötzlich all die Bulldoggen, Vespas und Schnurrbärte her – da muss irgendwo ein Nest sein! Da vorne, ist das nicht sogar eine schnurrbärtige Bulldogge auf einer Vespa?
Ähnlich ist es mit dem Vollmond: Wir werden jeden Tag mit rücksichtslosen Rüpeln konfrontiert. Bei Vollmond aber stellen wir einen Zusammenhang her und achten genauer auf etwas, was wir sonst rasch vergäßen. Der Glaube an die Wirkung des Vollmondes ist unausrottbar. Dabei gibt es nach wie vor keinerlei wissenschaftlichen Beleg dafür, und auch in der Geburten-, Sterbe- oder Unfallstatistik macht er sich nicht bemerkbar. Wenn man in Diskussionen darauf hinweist, hört man oft: Dann sind die Statistiken falsch. Glaube schlägt Wissen!
Die angebliche Wirkung des Vollmonds widerspricht auch jeder Logik: Der Mond ist ja immer gleich groß. Zu Vollmond ist er nur besser beleuchtet. Die Wirkung des Vollmondes kann also nur am Licht liegen. Um diese zu spüren, müsste man aber a) fernab von künstlichen Lichtquellen wie Straßenbeleuchtungen leben, b) eine klare Nacht erwischen und c) nicht im Besitz eines Rollos sein. Überhaupt: Müsste sich der Vollmond nicht sogar positiv auf die Verkehrssicherheit auswirken, weil es nachts heller ist? Und warum wirkt die Helligkeit nur bei Vollmond, nicht aber an den Tagen davor und danach, wenn es nahezu ebenso hell ist? Nächstes Mal: Warum Astrologie immer Recht hat und wie die Außerirdischen in Seattle landeten.
guido. tartarotti(at)kurier.at