Meinung/Kolumnen/über LEBEN

Frechheit, Pökelsalz, Glaudea, das Kind.

Im Supermarkt. Eine alte Dame rast durch die Regalreihen und kreischt „Wo ist die Waage? Frechheit!“ Ein Angestellter sagt: „Dort drüben.“ Sie: „Frechheit!“ Dann knallt sie einen Bund Bananen so heftig auf die Waage, dass eine Banane aufplatzt. „FRECHHEIT!“

Ein dicker Mann nimmt etwa 20 identische Packungen mit Kalbspariser aus dem Regal und liest bei jeder einzelnen die aufgedruckten Informationen. Dann schlichtet er die Packungen wieder ein, reißt sie wieder heraus, schlichtet sie wieder ein, reißt sie wieder heraus. Offenbar sieht er in dieser Wurst etwas, das uns allen verborgen ist. Dann verbirgt er das Gesicht zwischen den Händen und flüstert: „ Pökelsalz.“

Zwei ältere Damen schleichen durch den Supermarkt. Es sieht so aus, als versuche die eine, der anderen zu entkommen. Die Verfolgerin quietscht ununterbrochen: „Glaudea! Heast Glaudea!“ Claudia dreht sich nicht um.

Ein Vater mit einem Einkaufswagen in Rennautoform versucht, gegen die Fahrtrichtung die Straße bei den Milchregalen zurückzufahren und erzeugt dabei ein Chaos. Das Kind wanzt und randaliert. Der Vater nimmt offenbar die Tatsache, dass er sich erfolgreich vermehrt hat, als Lizenz für Sonderrechte, er knallt mit seinem Wagen gegen die Einkaufswagen anderer und ruft dabei empört: „Lassen Sie mich durch, sehen Sie das Kind nicht?“

In dem Moment bemerke ich, dass es mich zwischen den Schulterblättern juckt. Der Juckreiz ist so stark, dass ich nur mit Mühe den Impuls unterdrücken kann, jemanden zu fragen, ob er mich kratzen könne. Von fern höre ich „Glaudea!“ sowie „Frechheit!“ sowie „Pökelsalz“ sowie „Das Kind!“. Alles Freaks, denke ich, und reibe meinen Rücken wie ein Wildschwein an einem Turm aus Waschmittelpackungen, der daraufhin leise seufzend einstürzt.