Werde, was du schreibst!
Man hat mir nahegelegt, es mit dem depressiven Zeug gut sein zu lassen.
über deppresiv Geschriebenes
Man hat mir nahegelegt, es mit dem depressiven Zeug gut sein zu lassen. Praktisch alle meine Berater, der Chefideologe, die seelische Sicherheitsberaterin, der Beichtvater und sogar H., der Herr, der sich in solchen Dingen äußerste Zurückhaltung auferlegt, weil er eine Heidenangst hat, dass von ihm einmal gesagt werden könnte, er sei autoritär gewesen.
Alle. Sie alle sind nämlich der Meinung, dass man den Depressiven nur lange genug spielen muss, damit man auch wirklich einer wird.
Von der damit noch nicht einmal im Ansatz beantworteten, ja sogar kaum noch gestellten Frage, ob hier einer den Depressiven spielt oder viele ihre Depressionen ins Geschriebene projizieren, abgesehen: großartiger Ansatz. Werde, was du schreibst! (Darf ich in an dieser Stelle ernsthaft und in aller gebotenen Höflichkeit darum bitten, dass Christian Rainer, Alexandra Föderl-Schmid und Frank Schirrmacher diesen existenziellen Rat NICHT befolgen? Bei Michael Jeannée ist es gehupft wie gehatscht.) Die Philosophie, hab ich einmal gehört, nennt das performatives Sprechen.
Hat, wie so vieles, Gott erfunden: Er sprach, und es wurde. Es ist nun aber so, und wir reden hier nicht über Dahinmeinereien der handelsüblichen Sorte, sondern über ein paar Jahrtausende Menschheitserfahrung: Schlechtreden funktioniert sehr super, Schönreden nicht (Schöntrinken angeblich schon, aber was man hört, sind die Ergebnisse nicht immer von Dauer, es sei denn, man entscheidet sich für die ephemere Ästhetik und gegen die Leber).
Wenn es also einen Unterschied zwischen Gut und Böse gibt, was meiner bescheidenen Ansicht nach nicht ausgemacht ist, weil die alte Vorstellung, dass das Schöne das Gute sei, durch KHG widerlegt wurde, so ist es der: Schönreden ist böse, sprechend schaffen ist gut. Oder Gott. Oder so.