Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Zwischen Provokation und Pleite

Sie wird als eine der ungewöhnlichsten eingehen in die Skigeschichte.

Wolfgang Winheim
über die Damen-Abfahrt

Während Matthias Mayer im Super-G am Sonntag um die nächste Medaille rast, sitzt Marcel Hirscher im Flugzeug Richtung Sotschi.

Und während Hirscher am 22. Februar ums letzte zu vergebende alpine Edelmetall carvt, rollt die Kärntner Gemeinde Afritz ihrem Heimkehrer Mayer den roten Teppich aus.

Aber mit dem Hinweis auf den abfahrtsgoldenen Mayer und Slalom-Goldhoffnung Hirscher soll nicht vom schwachen Abschneiden des schwachen Geschlechts abgelenkt werden. Im Gegenteil:

Die Damen-Abfahrt verdient, groß gewürdigt zu werden. Sie wird als eine der ungewöhnlichsten eingehen in die Skigeschichte.

Weil das Resultat den russischen Zeremonienmeister vor der (auf die Sekunde genau geplanten) Siegerehrung in Verlegenheit brachte, mussten doch erstmals zwei Hymnen gespielt werden;

weil es so einen Ex-aequo-Sieg, wie ihn die Schweizerin Dominique Gisin und die Slowenin Tina Maze in den russischen Frühlingsschnee zauberten, bisher nie bei Olympia, aber sehr wohl im Weltcup gegeben hatte, als sich mit Maze, der Norwegerin Andrine Flemmen und Niki Hosp im Oktober 2002 in Sölden sogar drei Damen ihren allerersten Erfolg geteilt hatten;

weil die (von einem Oberösterreicher gecoachte) Ungarin Edit Miklos schneller als die schnellste Österreicherin (Hosp) und die schnellste Deutsche (Maria Höfl-Riesch) fuhr und danach mit der Aussage überraschte, sie habe mit einer Medaille spekuliert;

und weil die (zugegeben leicht erregbare) Elisabeth Görgl noch am Abend vor der Abfahrt um 23 Uhr Besuch von Doping-Kontrolloren bekam, wofür denen selbst eine Olympia-Sperre gebührt.

Dass Empathie (=die Fähigkeit, sich in die Lage eines anderen zu versetzen) bei olympischen Wichtigtuern und deren Handlagern im wahrsten Sinne des Wortes ein Fremdwort ist, bewies das IOC schon davor mit der Rüge für die norwegische Langläuferin Astrid Jacobsen, die es gewagt hatte, nach dem Tod ihres Bruders einen Trauerflor zu tragen.

Präpotent

Mit den eigenartigen Methoden der Doping-Kontrollore machte ohnehin fast schon jeder Rennläufer unliebsame Erfahrung.

Hermann Maier wird unvergessen bleiben, wie er 2006 im Olympia-Dorf von Sestriere um Autogrammkarte und Unterschrift ersucht wurde. Danach durfte er mit seinen vermeintlichen Fans noch für ein Erinnerungsfoto Pose stehen, ehe die süffisant ihre Ausweise zückten und ihn in forschem Ton zum Wasserlassen aufforderten.

Bei einem jüngeren Salzburger Ski-Promi erschienen die Doping-Fahnder erst vor wenigen Wochen innerhalb von 13 Stunden zwei Mal. Um 8 Uhr abends und um 7 Uhr Früh.

Hintergedanke der Jäger: So sollen Sünder entlarvt werden, die unmittelbar nach der Kontrolle Verbotenes schlucken, in der Annahme, ein zweites Mal würde so rasch niemand kommen.

Reaktion des Doppel-Kontrollierten: "Die Fahnder tun auch nur ihre Pflicht."

Der Name des Verständnisvollen: Marcel Hirscher.