Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Von weißen und anderen Westen

Wenn Wladimir Wladimirowitsch Putin am 4. 7. 2007 nicht nach Guatemala geflogen wäre...

Wolfgang Winheim
über die Olympischen Spiele

Wenn Wladimir Wladimirowitsch Putin am 4. 7. 2007 nicht nach Guatemala geflogen wäre ...

... dann würden wahrscheinlich Annemarie Moser und Petra Kronberger die olympische Fackel auf den letzten Metern tragen.

... dann fände die Eröffnungszeremonie am Freitag nicht in Sotschi, sondern in Salzburgs Fußball-Arena statt;

... dann würde Hermann Maier Olympia nicht kritisieren, sondern dem Organisationskomitee angehören;

... dann ließe sich der rekonvaleszente Hahnenkammsieger Hannes Reichelt nicht nehmen, seinen Speedkollegen am nächsten Sonntag vor Ort die Daumen zu drücken;

... und dann hätten die Medien Moskau wegen ignorierter Menschenrechte nicht so sehr ins Fadenkreuz gerückt, sondern sich bloß Umweltschützer über gefällte Bäume und österreichische Berufsgrantler („Wie kommen wir Steuerzahler dazu“) über zu viel Geld für zu viel Sport empört.

Am besagten 4. 7. ’07 traf Putin gerade noch rechtzeitig vor der Vergabe der Winterspiele 2014 in Guatemala-Stadt ein. Bis dahin hatten die schon einmal mit ihrer Olympiabewerbung im ersten Wahlgang gescheiterten Salzburger geglaubt, mit Mozart und Hochkultur entscheidend punkten zu können. Leider ein Irrtum des sportfremden Lodenadels.

Dank Putin durften sich die Verlierer immerhin schuldlos fühlen.

Denn nur dank dem mächtigsten Russen, der den Rubel Richtung IOC rollen ließ, wurden die Spiele 2014 an den Schwarzmeerort vergeben.

Die Tiroler Karl Schranz und Peter Schröcksnadel gewannen als Erste der Salzburger Niederlage nach dem Motto „Kein Nachteil ohne Vorteil“ Positives ab. Sie sahen Riesenchancen für die Export-Wirtschaft. Eine Zuversicht, die sich als berechtigt erwies. Über 50 österreichische Firmen sind in Sotschis Milliardenprojekte involviert. Allein schon deshalb wäre es Heuchelei, nur von den Sportlern Proteste vor Ort oder gar einen Boykott zu verlangen.

Nicht zu Unrecht fragen Alpinstars wie Ted Ligety, Lara Gut oder Österreichs Fahnenträger Benjamin Raich, warum erst in den letzten Wochen und nicht schon vor der Olympia-Vergabe gegen Sotschi protestiert wurde.

Häf’n statt Olympia

Unmittelbar nach Sotschis Wahlsieg meldete sich in Guatemala als einer der Ersten der damalige Langzeit-Generalsekretär des Österreichischen Olympischen Komitees, Heinz Jungwirth, kritisch zu Wort.

„Ich bin sehr enttäuscht. Offensichtlich waren wieder Leute im Spiel, die vom Wintersport keine Ahnung haben. Wenn man weiß, was alles hinter der Bühne läuft, dann sind wir stolz, dass wir das nicht brauchen. Das war sicherlich eine Bewerbung des Geldes“, sagte Jungwirth am 4. 7. 07, nichts ahnend, dass er Olympia 2014 nicht in Sotschi als Chef de Mission, sondern in einer niederösterreichischen Strafanstalt erleben würde.

Jungwirth war mit zu vielen Euros zu oft zu sorglos umgegangen. So wie das in höchsten internationalen Sport-Gremien bis heute nicht unüblich sein soll.

Das Strafausmaß wird von 60 auf 40 Monate herabgesetzt. Als Hausarbeiter von Hirtenberg gehört Häftling Jungwirth auch der Putzbrigade an. Während in Sotschi so manche seiner ehemaligen Sportfreunde mit vermeintlich weißer Weste herumlaufen.