Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Wenn das Gewissen kein Leiberl hat

Über kurz oder lang wird sich wieder Mittelmaß einpendeln.

Wolfgang Winheim
über die Dressenmode

Der österreichische Teamchef Marcel Koller düste gerade über den Atlantik, als seine Schweizer Landsleute am Sonntag ihren Last-Minute-Sieg gegen Ecuador bejubelten.

Mittlerweile hat Koller am geografischen Mittelpunkt Südamerikas, in der 800.000-Einwohner-Stadt Cuiabá, das 1:1 von Österreichs EM-Qualifikationsgegner Russland gegen Südkorea gesehen.

Konkretes über seine Eindrücke vor Ort will Spion Kollers nicht verraten. Ist auch nicht notwendig. Dass der russische Tormann Igor Akinfejew beim Gegentreffer peinlich patzte, haben die 249.000 ORF-Konsumenten 68 Minuten nach Mitternacht, sofern sie im Patschenkino noch nicht eingeschlummert waren, ohnehin selbst gesehen. Und auch Hardcore-Fans wird egal sein, ob der linke Verteidiger einen stärkeren rechten Fuß oder welche taktische Variante Russlands italienischer Startrainer Fabio Capello im Talon hat. Schließlich wird Österreich erst im November gegen die Russen spielen. Oder ist die ÖFB-Nationalelf gar schon morgen im Bilde?

Wer Freitag um 18 Uhr (= Beginnzeit von SchweizFrankreich) sein Fernsehgerät einschaltet, könnte im ersten Moment annehmen, dass sich Österreichs Teamkicker doch noch zur WM gemogelt haben. Ihnen sehen die Schweizer zum Verwechseln ähnlich, nachdem sie vom selben deutschen Ausrüster mit dem gleichen konservativen Rot-Weiß-Rot-Look versehen wurden. Auch hinsichtlich des Spielstils war zumindest in Hälfte eins des eidgenössischen WM-Auftakts kaum ein Unterschied zu erkennen. Wobei es Ansichtssache ist, diese Feststellung als Lob für die Österreicher, Beleidigung eines WM-Starters oder als entbehrlichen Vergleich zu interpretieren.

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Auch über die Dressenmode lässt sich streiten. Die XXXX-Large-Hose MarkeMarko Arnautovicist auch bei WM-Startern in. Konnten zuHerbert Prohaskas aktiven Zeiten die Hosen nicht kurz genug sein, sind jetzt knielange begehrt. Über kurz oder lang wird sich wieder Mittelmaß einpendeln. Nur die ärmellosen Trikots, mit denen Afrikaner schon bei früheren Weltmeisterschaften ihr Muskelspiel unterstreichen wollten, bleiben seitens der alles bestimmenden FIFA weiter verboten.

Doch was sind das alles für Sorgen? Das wird sich vielleicht auch der eine oder andere aufmerksame TV-Zuseher an einem der WM-Abende gedacht haben, als deutsche Reporter zunächst Manuel Neuers Schulter der Nation beschäftigte, ehe in der zwischen Fußball als Pausenfüller eingebetteten ARD-Tagesschau Bilder vom Terroristen-Gräuel im Irak gezeigt wurden.

Zwischen den Opfern einer Massenhinrichtung lag, den Kopf nach unten gekehrt, ein mutmaßlicher Fußball-Fan. Der Tote trug noch ein gelbes brasilianisches Nationaltrikot mit der Rückennummer zehn. Und Unsereinen beschäftigt, ob Neymar Schützenkönig wird.