Tagebuch: Trügerisches Vorbild
Von Wolfgang Winheim
Bayern Münchens Bosse "jubelten" laut Bild-Zeitung über den Ausfall des Länderspiels England - Niederlande, brauchten sie doch dadurch keine neuerliche Verletzung bei ihrem genialen, für Muskelleiden anfälligen niederländischen Gehaltsempfänger Arjen Robben zu befürchten. Dabei war der Absagegrund dramatisch: Nach den Straßenschlachten konnte in London keiner der 16.000 Polizisten zum Wembley-Stadion abkommandiert werden. Noch vor wenigen Wochen waren im Zusammenhang mit den Sanktionen anlässlich des Platzsturms bei Rapid - Austria die englischen Maßnahmen als vorbildlich hingestellt worden. Weil es in britischen Stadien so gut wie keine Krawalle mehr gibt; weil Ausweissystem und Kontrollen perfekt funktionieren; weil sich amtsbekannte Hooligans an jedem Spieltag auf Polizeistationen zu melden haben. In Wahrheit wurden die sozialen Probleme von Prachtstadien und Premier League nur zurück auf die Straße verlagert. Österreich darf sich zum Glück der niedrigsten Arbeitslosenquote im EU-Raum rühmen. Doch auch hierzulande wäre es falsch zu glauben, dass sich die Aggression nur auf den Fußball und nur auf Rapid-Fans beschränkt. So zerbrechen sich die Landesfürsten aus dem Westen bei ihrem Klagenfurter Treffen über das Regionalliga-Match Hall - Austria Salzburg ihre Präsidentenköpfe, seit die Tiroler Stadtgemeinde wegen zu befürchtender schwerer Ausschreitungen mit einem Spielverbot am kommenden Feiertag droht. Vergleichsweise problemlos verlief in Klagenfurt die Weichenstellung bis 2012 (November-Länderspiel in der Ukraine, kein Teamcamp im Winter usw.) zwischen den zehn Bundesliga-Trainern und Teamchef Dietmar Constantini. Vielleicht auch, weil mancher gar nicht weiß, ob er zum Zeitpunkt der Umsetzung seinen Job noch hat. Noch viel unberechenbarer ist leider der FC Anarchie. Er befindet sich europaweit auf dem Vormarsch.