Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Sportkultur – nicht Jedermanns Sache

Erstmals in der 47-jährigen Weltcupgeschichte kommen beide Gesamtsiege aus einem Bundesland.

Wolfgang Winheim
über die Ski-Region Nummer 1

Vorweg: Der an Marcel Hirscher gescheiterte Norweger Aksel Lund Svindal ist ein großartiger, fairer Sportsmann, der nie Ausreden sucht. Und die Schweizer Ski-Fans sind im Gegensatz zu den aggressiven Basler Fußball-Anhängern ein großartiges Publikum, das ausländische Sieger feiert wie ihre eigenen.

Das hat zum Abschluss einer turbulenten Rennsaison gewürdigt zu werden, zumal dem ÖSV und seinen medialen Claqueuren ohnehin ein chauvinistisches Mir-San-Mir-Gehabe nachgesagt wird.

Ski-Präsident Peter Schröcksnadel kann wieder einmal behaupten, alles richtig gemacht zu haben. Seit seiner Amtsübernahme gewinnt der vom Alpen-Ecclestone als Demokratur geführte ÖSV zum 25. Mal en suite den Nationencup. Und seit gestern lässt sich dank Anna Fenninger und Marcel Hirscher Skihistorisches hinzufügen. Seit nämlich feststeht, dass das 540.000 Einwohner zählende Bundesland Salzburg erstmals gleich beide Weltcup-Gesamtsieger stellt.

Nicht einmal zu Annemarie Mosers bzw. 20 Jahre später zu Hermann Maiers Zeiten war dies gelungen.

Die Grafik unten verdeutlicht, dass Salzburg die Ski-Region Nummer 1 der Ski-Nation Nummer 1 ist. Und das, obwohl das Salzburger Sportbudget nicht einmal ein Zehntel so hoch ist wie das Kulturbudget. Ein Umstand, den Salzburgs Landesskipräsident Bartl Gensbichler immer wieder frustriert anmerkt.

Gensbichler hatte, ehe er zum 100-Kilo-Funktionär mutierte, einst selbst eine Weltcup-Abfahrt gewonnen. Das war zu Zeiten, als die Salzburger Skifabriken Atomic und Blizzard noch in Salzburger Besitz waren. Und als noch der ärmste Bauernbua Rennläufer werden konnte.

Mittlerweile rennt die Jugend ehrenamtlichen Trainern nicht mehr so die Skiklub-Türln ein. Und mittlerweile müssen Eltern bis zu 10.000 Euro jährlich in die Karriere ihres Sprosses investieren, ehe der – wenn überhaupt – an den alpinen Futtertrog gelangt.

Auch den ehemaligen Gasteiner Hotelfachschülern Hirscher und Fenninger hatte Talent allein nicht genügt. Papa Ferdinand Hirscher wurde, obwohl manchmal belächelt und kritisiert, nur dank seiner Tüfteleien zum Vater des Erfolges. Einer, der lieber im Hintergrund steht.

Marcel hingegen genießt auch den Slalom vor Mikrofonen. Bis zu 30-mal täglich wurde er in der Finalwoche interviewt. Danach wartet auf Marcel und Anna in der Heimat eine Ehrung nach der anderen. Und regionale Politgrößen werden bei Humtata-Musik verkünden, dass die ganze Welt auf sie schaut.

Wenn die Selbstbeweihräucherung realitätsfern zu werden droht, pflegen Nicht-Sportjournalisten gern daran zu erinnern, dass sich der Bekanntheitsgrad unserer Schneerutscher auf den Alpenraum beschränkt. Stimmt. Nur wird auch kaum wer im Kongo oder in Singapur wissen, wer den Jedermann spielt. Und trotzdem sind die Festspiele für Salzburg ein Segen. So wie Skisiege für den Winter-Tourismus.

Alle Inhalte anzeigen