Tagebuch: Seitenblicke ins Stadion
Von Wolfgang Winheim
Ob er Dienstag-Abend im Moskauer Luschniki-Stadion sitzen und Cristiano Ronaldo auf die Millionenbeine schauen werde, wurde Marcel Hirscher nach seinem Doppelsieg in Bansko gefragt. Die Antwort des Pistenschelms: "Klar. Warum sonst flieg ich wohl nach Moskau?" Das ist natürlich nicht einmal die halbe Wahrheit.
Es stimmt zwar, dass FIS-Direktor Günter Hujara den Teilnehmern des Parallelrennens bevorzugte Sitze für die drei Stunden später beginnende Champions-League-Partie CSKA – Real Madrid versprochen hat. Vorrangiges Ziel von Hirscher aber ist, dass er im K.-o.-Rennen auf einer Riesenrampe neben dem Fußballstadion ...
a) seinen Moskauer Sieg von 2009 wiederholt; oder b) zumindest den verletzungsbedingt abwesenden Ivica Kostelic von der Weltcupspitze verdrängt. Um Letzteres zu schaffen, genügt schon ein (mit 30 Punkten belohnter) Erstrunden-Sieg im Duell gegen den Russen Alexander Choroschilow , der als Lokalmatador eine Wild Card bekommt, aber nicht gerade als Rampensau gilt. Hirscher wird, sofern die Torabstände nicht zu groß sind, seine Slalom-Siegerski anschnallen. Die sind so wertvoll, dass Servicemann Edi Unterberger versuchte, die 1,65 Meter kurzen Atomic-Wundercarver als Handgepäck in den Charterflieger zu schmuggeln.
Marcels Trainerpapa, der ansonsten stets am Pistenrand zu finden ist, flog nicht nach Moskau. Ferdinand Hirscher fuhr vielmehr im Pkw von Bansko 13 Stunden heim nach Salzburg.
Auch der ehemalige Profi-Weltmeister und nunmehrige Blizzard-Rennchef Bernd Knauss tat sich diesen Lenkrad-Marathon durch den Balkan an. Nur waren’s in seinem Fall leere Kilometer – sein Paradeschützling Mario Matt wurde disqualifiziert.
Im Fußball sind nur die Chauffeure der Großklubs solche Dauerprüfungen gewöhnt. Real, Milan, Barca oder die Bayern lassen ihren Vereinsbus oft ganz leer durch Europa rollen – damit die Herren Stars, die mit dem Flugzeug anreisen, auf dem Weg zu Hotel und Stadion nur ja ihr Gesäß ins gewohnte Polstersesserl zwängen können.