Tagebuch: Nachholbedarf
Von Wolfgang Winheim
Zu solide, zu temperamentlos, zu bescheiden – Romed Baumann, 26, war schon als Platzfahrer abqualifiziert worden.Der wiederholt von Asthma Geplagte hustete auf solche Kritik. Mehr noch: Gerade in Chamonix, wo’s bei sibirischer Kälte und drei Rennen innerhalb von drei Tagen auf besondere Steherqualitäten ankam, besaß der oft verkühlt gewesene Baumann den längeren Atem.Vierter, Zweiter – und am Sonntag Erster!
In Wahrheit brachte die Superkombi, durch die rot-weiß-rote Brille gesehen, sogar zwei Sieger:
Baumann und den abwesenden Marcel Hirscher.
Entgegen aller Erwartungen vermochte Ivica Kostelic die Dreifach-Chance von Chamonix nicht zu nützen, um seinem jungen Salzburger Verfolger im Gesamtweltcup auf und davonzuziehen.
Die Vorentscheidung könnte am kommenden Wochenende auf dem für alle Stars unbekannten Terrain in Sotschi fallen, ...... wenn Torlauf-Spezialist Hirscher erstmals in diesem Winter (auch in Hinblick auf Olympia 2014) die langen Latten anschnallt;... wenn neben der Abfahrt erneut eine Superkombi stattfindet;... wenn überhaupt gefahren wird.
In einer Zeit, in der im Sport auf alles und jedes gewettet wird, könnten Buchmacher ihre Kunden auch mit der Frage reizen, welche Veranstaltung eher abgesagt wird:Der Frühjahrsstart von Rapid am Sonntag in Wiener Neustadt, wo das alte "Stadion" über keine Rasenheizung verfügt.
Oder die Olympia-Generalprobe in Sotschi, wo ein Großteil der Abfahrt oberhalb der Baumgrenze liegt.Dort, wo Wälder die Olympiapiste säumen, hatte es bei den Europacup-Rennen im Vorjahr immer wieder Unterbrechungen gegeben – Terroralarm. Die örtliche Security drehte durch, vermutete Bomben in den im Geäst platzierten Rucksäcken.
"Warum hätten die Einheimischen auch wissen sollen, dass die Ski-Trainer damit ihre Hochsitze reservieren?", meint Funktionärsprofi Wolfgang Mitter. Der Steirer wurde in Sotschi inzwischen zum Olympischen Vize-OK-Chef bestellt.
Wie im organisatorischen alpinen Bereich haben die Untergebenen des skibegeisterten Wladimir Putin auch auf sportlicher Ebene enormen Nachholbedarf.
Zwei Jahre vor den russische Olympia-Heimspielen war kein einziger russischer Abfahrer in Chamonix am Start. Zu gefährlich. Die slowenischen Trainer der Russen hängen vorerst ihre Rucksäcke lieber neben harmloseren FIS-Pisten auf.
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