Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Grenzgenial

Fenninger wird natürlich weiterhin auf Österreich abfahren.

Wolfgang Winheim
über eine "Bild"-Schlagzeile

Deutschlands größte Zeitung hat zwar keinen Reporter zur Ski-WM in die USA entsandt, der Österreicherin Anna Fenninger aber eine Seite gewidmet. Titel: "Ich starte nicht für Deutschland." No na. Nur: Ganz so absurd war die in Berlin produzierte Bild-Schlagzeile gar nicht. Zumal ...

... Anna Fenninger a) nur 1800 Meter von der deutschen Grenze entfernt aufgewachsen war und bis zum zehnten Lebensjahr dem bayrischen Skiclub Schellenberg angehörte ;

... sie b) einem deutschen Manager vertraut, der beim ÖSV auf der Watchlist steht;

... und c) im Weltcup tatsächlich das Gerücht die Runde machte, Anna würde mit einem Nationenwechsel kokettieren.

Fenninger wird natürlich weiterhin auf Österreich abfahren. Dabei verschwimmen die Grenzen im Skizirkus ohnehin immer mehr. Der halbe Holländer Marcel Hirscher ist bekanntlich Österreichs größter Stolz. Der halbe Tiroler Fritz Dopfer gilt als heißer deutscher Medaillenanwärter in den Torläufen. Der halbe Norweger Alexis Pinturault ist Frankreichs (technisch) bester Skifahrer. Und dass die ganze Schweiz jetzt über den Abfahrtstriumph jubelt, kann sich ein bissel auch der Salzburger Rudi Huber auf seine Fahne heften.

Was der Schweizer Marcel Koller im österreichischen Fußball, ist der Österreicher bei den Schweizer Skifahrern: der alleinverantwortliche Teamchef. Wie Kollers Verpflichtung in Österreich, hatte auch Hubers Engagement bei den Eidgenossen nicht nur Beifall ausgelöst. Als im Dezember Schweizer Erfolge überschaubar waren, reagierte der Zürcher Boulevard bereits mit Giftpfeilchen Richtung Huber. In Wahrheit spielt gerade im vom gegenseitigen Respekt dominierten Skirennlauf die Nationenzugehörigkeit eine viel geringere Rolle als von den Medien dargestellt. Jedoch:

Würden unsere Anna und unser Marcel nur für sich oder für Firmenteams fahren, könnte der ORF niemals solch unglaubliche Quoten erreichen wie am Samstag. Als bis zu 1,8 Millionen Österreicher Augenzeugen wurden, wie diese Abfahrer abstürzten.