Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Am Zauberberg

Andere haben mit der gleichen Knieverletzung schon Invalidität beantragt.

Wolfgang Winheim
über den Ehrgeiz von Anna Veith

Von Anna Veith, geborene Fenninger, dürfen bei ihrer Rückkehr in den Weltcup keine Wunderdinge erwartet werden. Gleichgültig, wie stark der angekündigte Wind am Semmering auch bläst– jeder Platz unter den Top 30 wäre für sie ein Erfolg.

Dank der 27-jährigen Absolventin der Gasteiner Tourismusschule können die Ski-Damen in der letzten Woche des Jahres den ORF-Quoten-Vergleich gegen die Herren gewinnen, obwohl heute der 27-jährige Absolvent der Gasteiner Tourismusschule Marcel Hirscher in Santa Caterina einen Start im Super-G riskiert.

Anna Veith bringt alles mit, um – zumindest in Österreich – Stammgast auf Titelseiten zu sein. Außergewöhnlich erfolgreich, außergewöhnlich fotogen. Nur vor Mikrofonen wirkte sie oft mehr nervös als vor den heikelsten Abfahrtsrennen.

Im Gegensatz zu Lindsey Vonn oder der pflegeleichteren Michaela Kirchgasser machte Anna Fenninger zu viel Medienrummel scheu. In den hat sich die Olympiasiegerin auch unfreiwillig begeben, als sie 2014 (nicht immer gut beraten) mit dem österreichischen Skiverband stritt und wenige Monate nach der Versöhnung so folgenschwer stürzte.

Andere haben mit der gleichen Knieverletzung schon Invalidität beantragt. Fenninger gab nicht auf.

Dass Anna F., pardon Anna V., ausgerechnet am Semmering ihr Comeback riskiert, ist für den (in der Zwischenkriegszeit so beliebt gewesenen) verträumten Höhenkurort ein PR–Segen. Zumal viele gar nicht glauben, dass angesichts des Klimawandels eine Autostunde von Wien entfernt Skifahren überhaupt noch möglich ist. Dabei kann der flache österreichische Osten auf mehr Brettltradition verweisen als so mancher inneralpiner Nobelort. Oder wussten Sie, ...

... dass der von Werbestrategen zum "Zauberberg" umgetaufte Hirschenkogel, auf dem ab heute Mikalea Shiffrin und Kolleginnen drei Tage um die Wette carven, selbst gute Skifahrer ins Zaubern geraten, weil die Semmeringer Pisten gar so anspruchsvoll sind?

... dass das nur wenige Kilometer entfernte, 1782 Meter hohe Stuhleck der erste Gipfel Österreichs war, der (1892) mit Skiern bestiegen wurde?

... dass am Lilienfelder Muckenkogel der Skischwung vom gebürtigen Tschechen Matthias Zdarsky 1889 erfunden wurde?

... oder dass es im Burgenland vier Skilifte gibt?

All das und noch viel mehr erfährt man in dem von Wolfgang Kralicek mit großem Detailwissen angereicherten Buch "Skifahren in Ostösterreich" (Falter-Verlag), das natürlich nicht so eine hohe Auflage wie Anna Fenningers Buch hat. In dem ist das letzte Kapitel sicher noch nicht geschrieben. Zumal Annas Ehrgeiz Bände spricht.