Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Starten statt Wettheucheln

Bormios Steilwand-Rodeo kann einen ähnlich großen Adrenalin-Ausstoß bewirken wie die Streif.

Wolfgang Winheim
über die Abfahrer und ihre letzte Chance auf den ersten Erfolg 2013.

Erstmals seit 1987 ein Jahr ohne Abfahrtssieg! Kann Hannes Reichelt oder einer seiner ÖSV-Kollegen diese Titelzeile noch verhindern?

Heute besteht die letzte Chance auf den ersten Erfolg 2013. Gefahren wird in Bormio. Dort, wo nichts zu bemerken ist von einer italienischen Krise; wo in der engen Via Roma die tägliche Nerzmantel-Parade stattfindet. Und wo Spaziergänger den Namen des 25. Kaderkickers von AC Milan oder Inter nennen können, nicht aber wissen, dass einen kräftigen Tormannausschuss entfernt die vielleicht heikelste alpine Mutprobe stattfindet.

Bormios Steilwand-Rodeo kann einen ähnlich großen Adrenalin-Ausstoß bewirken wie die Streif. 25.000 Euro erhält der Sieger. Das ist viel verglichen mit der Prämie für den Gesamtsieger der Vierschanzentournee (16.315 Euro), aber wenig in Relation zu Kitz, wo 50.000 Euro mehr auf den Hahnenkamm-Champion warten.

Das wahre Top-Ereignis geht ohnehin erst in 40 Tagen, wenn die Sportler am wenigsten an Geld denken, über die Kunstschnee-Bühne: in Sotschi. Am selben Tag, an dem mitten im Winter die Fußballer in Wien die Frühjahrsmeisterschaft mit dem Derby Rapid – Austria starten, wird um Olympia-Medaillen abgefahren.

Je näher das Ereignis rückt, desto mehr wird in Polit-Kreisen medienwirksam darüber nachgedacht, wie Olympia genutzt werden kann, um Wladimir Putin wegen Missachtung der Menschenrechte international bloßzustellen. Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck sagte seine Sotschi-Reise ab. Bundespräsident Heinz Fischer und Kanzler Werner Faymann beraten zu Jahresbeginn, ob sich jemand nach Sotschi begeben soll.

Zu einem Sportler-Boykott wird es nicht kommen. Das entschied Fischer bereits. Und das ist richtig so.

Schon 1980 hatte sich das neutrale Österreich dem Wettheucheln nicht angeschlossen und seine Athleten im Gegensatz zu USA, England, Deutschland zu den Sommerspielen nach Moskau geschickt.

Damals blieb der Westen aus Protest gegen die sowjetische Besetzung Afghanistans mehrheitlich Olympia fern.

Damals wurde ich bei Kontrollen in Moskau über 200-mal durch Scanner geschleust, auf denen „Made in USA“ stand.

Auch in Pressezentren und Stadien lag westliches Gerät herum. Die Wirtschaft machte ihre Geschäfte. Nur Athleten blieben unfreiwillig daheim. Zumindest das soll und wird in Sotschi nicht so sein.