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Schmäh vs. Sturheit

Normalerweise hätte er als allmächtiger Olympia-Generalsekretär in letzter Minute noch dem einen oder anderen Athleten zu einem London-Ticket verholfen oder ihn unnachgiebig zum Daheimbleiber degradiert.

Normalerweise.

In Wirklichkeit wird Heinz Jungwirth die Sommerspiele – sofern er überhaupt noch Lust dazu hat – nur im TV miterleben und ganz andere Sorgen haben.

Gestern wurde sein Prozess um vier Wochen vertagt. Die Urteilsverkündung in Wien soll während Olympia am 31. Juli erfolgen. Laut Anklage drohen Jungwirth wegen Veruntreuung von ÖOC-Geldern bis zu zehn Jahre Haft. Der bei Medien jahrzehntelang keineswegs unbeliebt gewesene, schwergewichtige ehemalige Handballer und Turnprofessor wäre wohl nie so ins Fadenkreuz der Justiz geraten, hätte er sich nicht mit kecker Kritik den Skipräsidenten Peter Schröcksnadel zum Feind gemacht.

Salopp formuliert: Wiener Schmäh reichte nicht gegen Tiroler Sturheit.

Schon als Schröcksnadel die ersten Ungereimtheiten witterte, schaltete er einen Detektiv ein. Zu einem Zeitpunkt, als andere Sportbonzen plus der damalige ÖOC-Präsident Leo Wallner dem Generalsekretär noch die Mauer machten.

Der schwelende Konflikt ÖOC – Skiverband brach bei Olympia 2006 in Turin entscheidend aus. Und wegen eben dieser Spiele bzw. wegen angeblicher Beihilfe zum Doping steht Schröcksnadel in Italien selbst am Pranger.

Eine italienische Staats­anwältin fordert sogar eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Obwohl die Dame sechs Jahre lang keine Beweise fand. Und obwohl sich der Vorwurf, Schröcksnadel habe seine Teams außerhalb des Olympia-Dorfs wohnen lassen, auf etliche Nationen bei etlichen Winterspielen ausdehnen ließe.

Am Freitag soll in Susa (Piemont) über Schröcks­nadel ein Urteil erfolgen, das in der Praxis (wegen Verjährung) nie exekutiert werden kann. Das aber im Falle einer hohen Strafe einem gewaltigen Rufmord gleichkäme, der wiederum im krassen Widerspruch zu Schröcksnadels beeindruckender Wiederwahl als FIS-Vizepräsident stünde.

Nicht weniger als 118 von 123 Abgeordneten stimmten vor einem Monat beim FIS-Kongress in Südkorea für den Innsbrucker Granitkopf.