Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Prater statt Tasmanien

Österreicher spielen in der österreichischen Schützenliste eine eher unauffällige Rolle

Wolfgang Winheim
über ausländische Torjäger

Rapid erwartet am Sonntag 22.000 zahlende Fans und Teamchef Marcel Koller als Ehrengast. Er wird im Prater beim bestbesuchten Liga-Spiel der Saison die bislang besten Schützen sehen. Gemeint sind: Jonatan Soriano (Spanien), elf Tore für Red Bull Salzburg; Robert Beric (Slowenien), sechs Tore für Rapid; Alan (Brasilien), fünf Tore für Red Bull.

Österreicher spielen in der österreichischen Schützenliste eine eher unauffällige Rolle. Auch in der zweiten Leistungsstufe werden sie von einem Ausländer (Ronivaldo traf neun Mal für Kapfenberg) klar übertroffen. Warum ist das so?

Weil in den Nachwuchsakademien zu viel gleich geartete, brave Spielertypen ausgebildet werden? Oder weil die talentiertesten Knirpse schon frühzeitig lieber im Mittelfeld spielen, wo sie mehr Ballkontakte haben als an vorderster Front?

Fest steht, dass auch an der Basis kein Wunderwuzzi, der Tore am Fließband schießt, mit freiem Auge zu sehen ist, weshalb der ÖFB mit der Einbürgerung von Alan für die EM 2016 spekuliert. Und fest steht ferner, dass Österreich immer nur dann zu einer WM kam, wenn die Nationalelf ganz hinten (Tormann) und ganz vorne über einen außergewöhnlichen Mann verfügte.

1978 und 1982 war Österreich von Hans Krankl, 1990 und 1998 von Toni Polster zur Endrunde geschossen worden. Mittlerweile ist das Nationalteam immerhin im Mittelfeldspiel mehr als nur Mittelklasse. Auch deshalb, weil Koller unter viel mehr Legionären wählen kann als seine Teamchef-Vorgänger.

Im Angriff aber sind die Alternativen (abgesehen von dem bei 1860 München wiedererstarkten Zweitliga-Stürmer Ruben Okotie) nach wie vor dünn gesät, weshalb Marc Janko trotz mangelnder Spielpraxis von Koller ung’schaut auch im Teamkader für die EM-Qualifikationsspiele gegen Moldawien und Montenegro berücksichtigt werden wird. Ung’schaut deshalb, weil der Teamchef 16.100 Kilometer weit hätte fliegen müssen, um Janko vor Ort auf die Beine zu sehen: Der Australien-Legionär läuft heute in Hobart (Tasmanien) für den FC Sydney ein.