Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Finaler Außenseiter

Die Deutschen haben trotz ihres Adieus mehr als bei so manchen ihrer früheren Siege imponiert

Wolfgang Winheim
über das DFB-Team

Schon in der ersten halben Stunde von FrankreichDeutschland waren mehr spektakuläre Strafraumszenen zu sehen als bei den meisten 90-Minuten-Partien davor. Schon vor Anpfiff des bisher besten EM-Spiels hatte "Le Kaiser" alias Franz Beckenbauer als Honorarkritiker der Bild-Zeitung verkündet: "Wer das Spiel Deutschland gegen Frankreich gewinnt, wird Europameister." Soll heißen: Die Portugiesen haben im Finale keine Chance. Obwohl jeder Portugiese den Ball so kurz am Fuß führen kann wie einst der Parade-Bayer Beckenbauer; obwohl mit FC-Bayern-Neuling Renato Sanches der beste Teenager der EM aufseiten der Portugiesen brilliert; obwohl Cristiano Ronaldo von Spiel zu Spiel den Erwartungen gerechter wird.

Ungeteilte Zustimmung wird Ronaldo beim Normalbürger nie bekommen. Zumal Letzterer mehr als 300 Jahre arbeiten müsste, um auch nur annähernd zu so viel Geld zu gelangen, wie es der Modellathlet von der Insel Madeira pro Saison in Madrid kassiert. Die Schätzungen schwanken zwischen 78 und 80 Millionen Euro.

Präziser sind per EM-Computer ermittelte sportliche Zahlen wie jene, wonach Ronaldo bei seinem Kopfballtor zum 1:0 gegen Wales einen Luftstand von 2,61 Metern erreichte. Und damit auf die um 17 Zentimeter tiefere Querlatte hinabsah.

In ähnlich einsamer luftiger Höh’ befand sich Ronaldo gegen Österreich, als sein Kopfball noch knapp das Ziel verfehlte. Und als man Ronaldo in einem beharrlichen Tief vermutete, weil dieser einen Elfer vergab.

Zwei Wochen später können die Österreicher behaupten, dass sie immerhin gegen einen Finalisten ein 0:0 ertrotzten. Und dass sie die Portugiesen sogar zu mehr Laufarbeit (108 Kilometer) gezwungen hatten, als sie beim Semifinalsieg gegen Wales notwendig war.

Die Waliser um Gareth Bale kehren nach ihrem EM-Out als Volkshelden heim. Euphorisch empfangen wie die Isländer, wie die Iren, wie die Nordiren, wie Kroaten, Ungarn und Albaner. Die meisten ÖFB-Spieler indes sind still und leise irgendwo am Meer untergetaucht.

Zu hoch gejubelt, zu tief gefallen. Sogar Beckenbauer hatte Marcel Kollers Auswahl ein Vordringen bis in Finalnähe zugetraut. Und Beckenbauers Landsleute? Die Deutschen haben trotz ihres unfreiwilligen Adieus mehr als bei so manchen ihrer früheren Siege imponiert.