Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Kopie von Feuerwehrmänner unter sich

Der österreichische Ski-Boss der Schweizer fragt den Schweizer Fußball-Chef der Österreicher.

Wolfgang Winheim
über Fußball vs. Ski

Der Schweizer Marcel Koller ist (Fußball-)Teamchef der Österreicher. Der Österreicher Hans Flatscher ist (Ski-)Teamchef der Schweizer. Nach erfolgreichen Jahren mit den Abfahrern wurde Flatscher als Krisenmanager zu den Schweizer Damen geholt. Vor dem Super-G, in dem die Schweizer noch am ehesten Medaillenchancen haben, kam’s zum verbalen Doppelpass. Von Feuerwehrmann zu Feuerwehrmann.

Hans Flatscher: Fahren Sie selbst Ski oder wurde Ihnen das als Fußballer verboten? Marcel Koller: Zu Beginn meiner Profikarriere war es nicht verboten, aber nach ungefähr zehn Jahren sind in der Tat verschiedene Sportarten mit erhöhtem Verletzungsrisiko aus Versicherungsgründen in den Vertragsanhang aufgenommen worden. Darunter Skifahren. Ich bin seit zwölf Jahren nicht mehr auf Skiern gestanden, möchte aber unbedingt wieder beginnen. Einzig mein Knie macht mir einen Strich durch die Rechnung.Flatscher: Wie kommen Sie mit der Wiener Mentalität zurecht? Gut. Warum?Flatscher: Stimmt es, dass Ex-Nationalspieler über Ihre Verpflichtung zum ÖFB-Teamchef gar nicht begeistert waren? Es hat schon negative Stimmen gegeben, aber ich habe dem Ganzen eigentlich von Anfang an nicht viel Bedeutung beigemessen.Flatscher: Welche Liga schätzen Sie stärker ein: die österreichische oder die Schweizer? Im Gesamtpaket, also inklusive Infrastruktur und angesichts internationaler Kluberfolge, sehe ich die Schweizer Liga schon vorne.Flatscher: Wo sehen Sie in den Sportstrukturen die größten Unterschiede zwischen Österreich und der Schweiz? Im Schweizer Sportwesen stehen der Sportler und dessen Ziele mehr im Fokus. Dort ist das ganze Drumherum nicht so ausgeprägt wie in Österreich.

Flatscher: Stimmt es, dass es Computer-Analysen gibt, wonach die Österreicher mehr gelaufen sind als ihre Gegner, mehr auch als die Deutschen? Das stimmt. Körperlich sind wir im internationalen Vergleich ganz vorne mit dabei. Aber das Entscheidende ist, richtig zu laufen. Auch der Teamgeist ist sehr gut.

Flatscher: Die Schweiz liegt in der Weltrangliste auf Platz 12, Österreich auf Platz 68. Entsprechen die Platzierungen dem Leistungsvermögen? Oft rückt man – selbst wenn man nicht spielt – ein paar Plätze vor oder zurück. Wie wir etwa bei der letzten Aktualisierung. Die Weltrangliste gibt das tatsächliche Leistungsvermögen nicht zwingend wider. Die Schweiz hat aber früher mit der Entwicklung und der Umsetzung ihrer Konzepte begonnen und dadurch einen Vorsprung. Der Abstand ist aber sicher nicht so groß, wie es die Tabelle vermuten ließe.

Flatscher: Bei uns sind PR-Termine noch in der Woche von Großereignissen üblich. Noch eine halbe Stunde vor Renn­beginn geben Athleten TV-Interviews. Würden Sie das im Fußball auch zulassen? Mit Spielerinterviews unmittelbar vor Anpfiff hätte ich keine Freude. Ich glaube, dass man hier zwischen Einzel- und Mannschaftssport unterschieden muss.

Flatscher: Sehen Sie in Österreich Ausnahmespieler, die bei uns keiner kennt, die aber genauso den Durchbruch schaffen können wie David Alaba? Es gibt schon einige Talente. Es ist aber zu früh, um diese zu nennen.

Flatscher: Spielen Barça, Bayern, ManUnited Fußball von einem anderen Stern? Können Außenseiter überhaupt noch in ein Finale kommen? Mit Hin- und Rückspiel ist das schwierig, aber möglich. Für mich spielen die genannten Teams keinen Fußball von einem anderen Stern. Durch ein höheres Budget und die größere individuelle Klasse gibt es aber spielerische und wirtschaftliche Vorteile.

Flatscher: Sind die Chancen für Nationalteams aus kleineren Ländern noch etwas größer?

Es ist bei Nationalteams sogar schwieriger, weil man weniger Zeit hat, um mit Spielern zu arbeiten.

Flatscher: Viele Fußballtrainer geben während der Spiele brüllend Anweisungen. Reagieren Spieler überhaupt? Wenn 50.000 Menschen im Stadion schreien, muss man brüllen, um vielleicht Gehör zu bekommen. Und dann ist es natürlich ein Unterschied, ob der Spieler auf der anderen Seite ist oder in der Nähe der Coaching Zone. Dem kannst du schon einen Hinweis geben. Es gibt Spieler, die nehmen das auf, und es gibt Spieler, die nicht drauf hören. Der eine oder andere Trainer lässt dadurch aber auch einfach ein bisschen Druck ab.

Flatscher: Skifahrer beschäftigten sich stundenlang mit Video-Analysen. Verbringen Fußballstars damit ähnlich viel Zeit? Wir machen auch Videoanalysen. Im Team und individuell. Auf Klubebene kann man das natürlich noch intensivieren, weil man mehr Zeit hat als im Nationalteam. Aber es ist natürlich ein Unterschied zum Skifahren. Da hat man ja keinen Gegner, sondern nur die Stange. Da weiß man: Tor links, Tor rechts, geradeaus. Im Fußball wechselt die Situation immer. Da steht einmal ein Verteidiger da, dann zwei, dann attackiert dich einer. Da habe ich also ein bewegliches Hindernis und kein statisches, das ich in meinen visuellen Weg fix einbeziehen kann. Da passieren Dinge, auf die ich situativ reagieren muss.

Flatscher: Österreich trifft heuer zwei Mal auf Schweden. Und damit auf Ibrahimovic. Gibt es überhaupt taktische Möglichkeiten, um den Aktionsradius dieses Weltklassestürmers entscheidend einzuschränken? Das Gleiche wurde ich vor dem Deutschland-Länderspiel auch wegen Özil gefragt. Den haben wir dann gemeinschaftlich gut im Griff gehabt.

Flatscher: Was vermissen Sie in Wien am ehesten? Die Berge.

Hans Flatscher (*8. Mai 1968) ist mit der früheren Schweizer Riesenslalom- Weltmeisterin Sonja Nef verheiratet und Vater zweier Töchter. Der Salzburger war Herren-Abfahrtscoach beim ÖSV, in Deutschland und in der Schweiz, ehe er 2012 das Angebot erhielt, das Schweizer Damenteam als Cheftrainer zu betreuen. Flatscher lebt mit seiner Familie auf der Schweizer Seite des Bodensees.