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Ehrung ohne Ehrengast

Ab heute Abend träumen die Nationalspieler unter einem Hotel-Dach dem WM-Qualifikationsauftakt entgegen. Nur 500 Meter liegen zwischen ihrem feinen Kasernierungslager in der Wiener Herrengasse und dem Rathaus, wo morgen bei der traditionellen Bruno-Gala die Protagonisten der letzten Liga-Saison geehrt werden. Doch sind’s nur noch neun Tage bis zum Ländermatch gegen Deutschland. Deshalb verbietet Teamchef Marcel Koller sämtlichen Teamspielern einen Rathaus-Besuch.

Nicht einmal Jakob Jantscher darf zur Pokalübernahme für eine halbe Stunde erscheinen, obwohl der Salzburger gleich in drei Kategorien (Tor des Jahres, Torschützenkönig, Spieler des Jahres) nominiert ist und sich unter 450 Gästen auch ÖFB-Präsident Leo Windtner und Sozialminister Rudolf Hundstorfer befinden.

Das 15., nach dem legendären Bruno Pezzey benannte, Kicker-Fest wird von der Spielergewerkschaft veranstaltet, an die sich neben um Gala-Karten buhlende Halb-Promis immer mehr ratlose Kicker wenden.

Wie im normalen Leben wird die Schere zwischen Arm und Reich in den zwei Bundesligen unanständig breit. Es gibt sowohl Spieler, die bis zu 85.000 netto monatlich kassieren, als auch solche, die bei gleichem Trainingsaufwand mit 1200 brutto (inklusive Prämien) abgespeist werden.

75 Profis sind mit Stand vom 1. 9. arbeitslos. Sie alle werden einen Jakob Jantscher um dessen Sorgen beneiden, wenn der bei Red Bull keinen Stammplatz und im Team keinen Erlaubnis für die Gala bekommt.

Allein dem Deutschland-Spiel, ließ der Teamchef dem Kicker-Gewerkschaftsvorsitzenden Gernot Zirngast lakonisch ausrichten, gelte die ganze Konzentration. Was im Falle Jantscher nicht leicht ist, zumal Dynamo Moskau um ihn wirbt.

Dass öffentliche Auftritte und Rummel auch motivierend wirken können, bewies soeben Atletico Madrid-Star Radamel Falcao. Der Kolumbianer ließ sich von der UEFA bei der Europa-League-Auslosung in Monaco zu Mittag von Mikrofon zu Mikrofon reichen. Am Abend traf er drei Mal gegen Chelsea. Nicht neun Tage, sondern sieben Stunden später.