Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Echte und aufgebundene Bären

Zur ersten Abfahrt werden weniger Zuschauer erwartet, als das Château von Lake Louise Hotelzimmer hat.

Wolfgang Winheim
über die Speed-Rennen in den Rocky Mountains.

Wie alle Jahre wieder starten die Alpinen ihren Speed-Winter in den kanadischen Rocky Mountains. Wie alle Jahre wieder wird die Abfahrtspremiere einem Stummfilm gleichen, für den sich außer ORF, SRF und Eurosport kaum ein Sender interessiert.

Nur als bekannt wurde, dass Lindsey Vonn in der Heimat der Grizzlys bei der Männer-Abfahrt starten wollte, war in amerikanischen Medien der Bär los.Allein für diese Idee, sagt der aus Linz-Ansfelden stammende kanadische Ski-Präsident Max Gartner , gebühre Lindsey täglich ein Dankschreiben.

Inzwischen hat die FIS die Gesamtweltcupsiegerin bekanntlich zurückgepfiffen. Zudem wurde Frau Vonn krank. Angeblich haben ihr Startverbot und Rummel so sehr auf Magen, Darm und Nervenkostüm geschlagen, dass sie in der Klinik von Vail landete.

Unabhängig von diesen Gerüchten schießt der ehemalige Bundesliga-Fußballer Gartner (Innsbruck, Linz) von seinem Präsidentenbüro in Calgary aus verbal gegen die FIS. "Diese Leute in Europa glauben, ihr Sport verkauft sich ganz von selbst." Weil dem in Kanada nicht so ist, organisierte Gartner unmittelbar vor der Abfahrt zur Abfahrt noch einen Er-und-Sie-Lauf der unterhaltsamen Art: Er ließ seine Ski-Stars, angeführt von Kapitän Manuel Osborne-Paradis , gegen das kanadische Damen-Eishockey-Nationalteam antreten und – 2:4 verlieren.

Trotz der PR-Aktion und der Tatsache, dass Kanada mit Eric Guay und John Kucera die zwei letzten Weltmeister stellt, werden am Samstag zur ersten Abfahrt weniger Zuschauer erwartet als das Château von Lake Louise Hotelzimmer hat.

Ein einziges Mal in der Weltcup-Saison wohnt die gesamte Rennfamilie unter einem Dach. Naturliebhaber kommen in Lake Louise auf ihre Rechnung. Und wenn Maria Höfl-Riesch den Lesern ihres neuen Buchs "Geradeaus" keinen Bären aufgebunden hat, dann erreicht der Wildwechsel der Hormone im Château alle Jahre wieder einen Höhepunkt. Nur die Grizzlys halten schon Winterschlaf.

wolfgang.winheim@kurier.at